Erneuerbare Energien: Natürlicher Wasserstoff könnte die Energiewende antreiben
Wasserstoff, der große Hoffnungsträger für die klimaneutrale Energiewende, hat einen entscheidenden Nachteil: Er muss erst produziert werden. Entweder direkt aus fossilem Erdgas oder mit Hilfe von Strom aus Wasser. Für eine Wasserstoffwirtschaft braucht man deswegen erst einmal enorme Mengen klimaneutralen Strom, die man noch nicht hat. Es gibt allerdings eine andere Möglichkeit, das Gas als Energieträger zu gewinnen. Wasserstoff kommt auch unterirdisch vor – und vermutlich wird das Gas permanent nachproduziert.
Unterirdische Wasserstoffvorkommen sind seit dem 19. Jahrhundert bekannt; Bohrfirmen stoßen auch immer wieder auf das Gas. Aber da die Bohrungen meist Öl und Erdgas galten, war der unterirdische Wasserstoff bislang kaum mehr als eine Kuriosität. Das liegt unter anderem daran, dass bisher rätselhaft ist, woher der Wasserstoff kommt und warum er sich unterirdisch sammelt. Eigentlich nämlich sind die Moleküle des Gases zu klein, um unter der Erde gefangen zu bleiben. Das leichteste aller Elemente wandert durch Poren und Spalten, die für größere Molekülen unpassierbar sind. Außerdem ist Wasserstoff vergleichsweise reaktiv und verbindet sich leicht mit anderen Stoffen, vor allem mit Sauerstoff. Dass größere, wirtschaftlich wichtige Vorkommen existieren könnten, galt deshalb lange als unwahrscheinlich.
Doch diese Annahme ist womöglich falsch. Im Juli berichtete das französische Nationale Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) von großen Wasserstoffvorkommen unter dem lothringischen Becken nahe der deutschen Grenze. Und schon zuvor deuteten Studien an natürlichen Gasaustritten und Bohrungen in den USA, Russland und Westafrika darauf hin, dass auch anderswo in der Tiefe ungeahnte Mengen des Gases entstehen und lagern. In Mali förderte das einheimische Öl- und Gasunternehmen Petroma ab 2011 sogar fünf Jahre lang Wasserstoff aus einer zufällig entdeckten Quelle. Doch was es mit diesen Vorkommen auf sich hat, war unklar.
Tiefer Wasserstoff als erneuerbare Ressource
In den Jahren 2017 und 2018 untersuchten Fachleute genauer, wie die Wasserstoffvorkommen von Mali zu Stande kommen. Demnach ist der Wasserstoff nicht langfristig im Gestein gefangen, sondern entsteht möglicherweise in den tiefen Schichten der Erdkruste permanent neu. Sollte sich das bewahrheiten, unterscheidet sich Wasserstoff damit fundamental von anderen fossilen Rohstoffen, die über Millionen Jahre entstehen und sich in Lagerstätten ansammeln. Wasserstoffquellen wären dann jene Bereiche der Erdkruste, in denen das Gas aus der Tiefe aufsteigt, sich an weniger durchlässigen Schichten staut und sich im Sediment ansammelt. Bohrt man eine solche Quelle an, würde sie dauerhaft Nachschub produzieren – erneuerbare Energie.
Die entscheidende Frage jedoch ist: Gibt es genug Nachschub, damit sich das lohnt? Das hängt davon ab, wie und wo der Wasserstoff in der Erdkruste produziert wird. Lange bekannt ist, dass die Minerale Olivin und Pyroxen mit Wasser reagieren und dabei Wasserstoff erzeugen. Dieser Prozess läuft auch in Resten alten Meeresbodens ab, die an vielen Stellen der Kontinente zu finden sind. In Kohlelagerstätten entsteht das Gas quasi als Nebenprodukt, und einige andere Gesteine scheinen ebenfalls Wasserstoff zu produzieren. Radioaktives Gestein etwa kann Wasser direkt aufspalten.
Die jeweiligen Beiträge dieser Prozesse und wie viel Gas insgesamt entsteht, ist noch unbekannt. Doch in den letzten Jahren haben Fachleute ihre Schätzungen der insgesamt entstehenden Wasserstoffmengen immer wieder nach oben revidiert. Auch die seit 2011 genutzte Quelle in Mali lässt vermuten, dass zumindest in einigen Bereichen der Kontinente genug Nachschub aus der Tiefe kommt, um die Ressource wirtschaftlich interessant zu machen. Und selbst wenn das Gas wohl nicht schnell genug aus der Erde strömt, um als wirklich erneuerbare Ressource für die Energiewende zu dienen – das vorhandene Gas könnte durchaus ausreichen, um die globale Wasserstoffwirtschaft klimaneutral in Schwung zu bringen, bis schließlich genug grüner Strom zur Verfügung steht.
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