News: Natürlicher Wirkstoff gegen Krebs
In einer Studie mit menschlichen Leberkrebszellen, die mit Inosithexaphosphat (IP6, Phytinsäure) behandelt und in Mäuse transplantiert wurden, haben Abulkalam M. Shamsuddin, Professor für Pathologie, und seine Kollegen entdeckt, daß IP6 das Wachstum von Leberkrebszellen bremste oder gar beendete und vorhandene Tumore auf ein Drittel bis Viertel ihrer Ausgangsgröße schrumpfen ließ. Am 30. März 1998 präsentierten sie ihre Ergebnisse auf der Jahrestagung der American Association for Cancer Research in New Orleans.
"IP6 tötet Krebszellen nicht ab – es zähmt sie und sorgt dafür, daß sie sich wie normale Zellen verhalten", sagte Shamsuddin. Seit mehr als einem Jahrzehnt konzentrierte sich seine Forschung auf die krebsbekämpfenden Eigenschaften der Verbindung.
Inosithexaphosphat ist ein Zuckerderivat, das sechs Phosphatmoleküle gebunden hat. Es ist überall in der Natur zu finden, zum Beispiel in Weizen- und Reiskleie, Hülsenfrüchten und annähernd in jedem Typ von Säugetierzelle. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Regulierung lebenswichtiger Zellfunktionen einschließlich Zellfortpflanzung und -differenzierung.
Nach Aussage von Shamsuddin verringert IP6 die Teilungsrate der Krebszellen und veranlaßt sie, sich zu differenzieren, wobei sie sich oft auf die Größe, Form und Struktur normaler Zellen zurückbilden. "IP6 hat eine bemerkenswerte Anti-Krebs-Wirkung, sowohl in vitro (im Reagenzglas) als auch in vivo (in lebenden Tieren)", sagt er.
In seinen Experimenten behandelte sein Team menschliche Leberzellkarzinom-Zellen mit verschiedenen Konzentrationen an reinem IP6. Das Ergebnis war – je nach eingesetzter Dosis – teilweise eine vollständige Hemmung des Zellwachstums und der Zellteilung. Behandelte Zellen, die in Mäuse transplantiert wurden, bildeten im Verlauf des 41 Tage dauernden Versuches keine Tumore, während 71 Prozent der Mäuse, die unbehandelte Krebszellen erhielten, Tumore entwickelten. Mäuse, die aus der menschlichen Krebszellinie Tumore bildeten, erhielten 12 Tage hintereinander IP6-Injektionen. Nach der letzten Behandlung wogen ihre Tumore drei- bis viermal weniger als zuvor, berichtet Shamsuddin.
Seit seiner Entdeckung war IP6 in Medizinerkreisen umstritten. Seine Eigenschaften als Anti-Oxidationsmittel entfachten einerseits Begeisterung, andererseits lösten sie die Besorgnis aus, daß IP6 fest an wichtige Mineralien wie Calcium, Magnesium, Kupfer, Eisen und Zink bindet und so verhindert, daß der Körper sie richtig absorbiert. Nach Aussage von Shamsuddin haben neuere Studien jedoch gezeigt, daß diese Sorge unbegründet ist.
Allerdings ist es richtig, daß IP6 sich nach der Einnahme mit verschiedenen Proteinen und anderen großen Molekülen verbindet und so unlösliche Verbindungen bildet, die nicht einfach absorbiert oder umgewandelt werden, bemerkten die Forscher. Aus diesem Grund wäre die Zugabe von IP6 zur Nahrung weniger wirksam als die Einnahme in reiner Form, wobei es dann entweder in Wasser gelöst getrunken oder injiziert wird, sagt der Forscher.
"Obwohl IP6 die Substanz ist, die für die Anti-Krebs-Wirkungen von Getreideprodukten verantwortlich ist, wäre die Einnahme von reinem IP6 wahrscheinlich eine praktischere Methode, um Krebs zu vermeiden, als riesige Berge diätetischer Fasern zu verdrücken", bemerkte er.
Shamsuddin hat IP6 auch für den Einsatz gegen Dickdarm-, Lungen-, Brust- und Prostatakrebszellen getestet, sowie Leukämie, Fibrosarkome und Muskelzellenkrebs bei Kindern. "IP6 hat das Potential, als neuartige vorbeugende Maßnahme und Behandlung gegen eine Vielzahl von Krebsarten eingesetzt zu werden", glaubt er. Zudem erscheint es auch vielversprechend bei der Vermeidung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierensteinen und möglicherweise sogar Störungen des Immunsystems, sagt der Wissenschaftler.
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