Naturkatastrophen: Doppelschlag löste tödliche Fluten aus
Am 7. Februar 2021 beobachteten Bewohner im Chamoli-Distrikt des indischen Bundesstaates Uttarakhand, wie plötzlich eine dicke Staubwolke durch ihr Tal schoss, auf die rasch eine Sturzflut mit reichlich Gestein folgte. Am Ende waren mindestens 200 Menschen tot und zwei im Bau befindliche Wasserkraftwerke zerstört. Gleichzeitig verbreiteten sich die Bilder der Katastrophe nahezu in Echtzeit über soziale Medien. Dan Shugar von der University of Calgary und sein Team bestätigen in »Science« die anfänglichen Vermutungen über den Ablauf des Desasters und legen neue Details vor.
Der britische Geowissenschaftler Dave Petley von der University of Sheffield hatte bereits wenige Tage nach dem Ereignis auf seinem Blog berichtet, dass ein großer Bergsturz oberhalb eines Gletschers zu einer fatalen Kettenreaktion geführt haben dürfte. Shugar und Co werteten weitere Satellitenbilder und Daten von seismischen Sensoren sowie die Videos von Augenzeugen aus, um die Katastrophe zu rekonstruieren.
Das Team folgte dabei unter anderem den Staubablagerungen, die auf den Hängen des Tals eine charakteristische dunkle Spur hinterlassen haben, bis zum Ausgangspunkt des Ereignisses am Nordhang des Ronti-Gipfels. Tatsächlich war damals im Februar ein massives Gesteinspaket von einem Berg abgebrochen und mitsamt dem darauf liegenden steilen Hanggletscher in die Tiefe gestürzt. Insgesamt gingen rund 27 Millionen Kubikmeter Material ab, das zu etwa 80 Prozent aus Fels und zu 20 Prozent aus Eis bestand.
Der Block fiel aus einer Höhe von 5500 Metern bis zum Talboden auf 1800 Meter – einen großen Teil davon sogar im freien Fall. Durch Reibung schmolz das Gletschereis und vermengte sich mit dem zertrümmerten Fels zu einem gewaltigen Schuttstrom, der das enge Ronti-Tal hinabschoss. Dabei riss die Sturzflut weiteres Material und Baumstämme mit sich. Die Wucht dieser Massen sorgte dann flussabwärts für die schweren Schäden an den beiden Bauprojekten, wo die Mehrzahl der Opfer arbeitete und starb. Dörfer wurden hingegen kaum geschädigt, da sie oberhalb der tief eingeschnittenen Wasserläufe am Hang liegen.
Satellitenbilder zeigten zudem, dass in den Jahren vorher häufiger Gletscherteile in der Region abgebrochen sind, allerdings ohne katastrophale Folgen. Angesichts des Klimawandels fürchten die Wissenschaftler, dass Gletscher und Felsen im Hochgebirge prinzipiell instabiler werden könnten und sich derartige Ereignisse häufiger wiederholen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.