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Naturkatastrophen: Rätsel eines griechischen Tsunamis gelöst

Im Jahr 1650 suchte eine Katastrophe die griechische Insel Santorini heim. Nun sind sich Forscher sicher, was turmhohe Tsunamiwellen ausgelöst hat.
Santorini gilt als Inbegriff griechischer Idylle: Weeiße Häuser strahlen im warmen Abendlicht, der Blick geht auf die Bucht mit tiefblauem Wasser. Im Vordergrund sind rote Blumen
Santorini mit seinen blau-weißen Gebäuden gilt als Inbegriff der griechischen Ägäis. Doch die Idylle trügt: Im Untergrund rumoren gewaltige tektonische Kräfte.

Im Spätsommer des Jahres 1650 ging die Welt auf der griechischen Insel Santorini tatsächlich unter – zumindest für kurze Zeit. Über Wochen konnten die Bewohner Flammen am Horizont sehen. Blitze durchzuckten dunkle Rauchwolken, die über den Himmel zogen. Die Farbe des Wassers habe sich verändert und das Meer bisweilen gekocht, so Augenzeugenberichte. Eines Tages dann zog sich das Wasser plötzlich zurück, um kurze Zeit später mit bis zu 20 Meter hohen Wellen an die Ufer zu prallen. Ein lauter Knall ertönte, Asche und Bimssteine regneten auf die Inseln in der Umgebung, giftige Gase töteten wohl zahlreiche Menschen. Der Unterwasservulkan Kolumbo war explodiert. Jetzt haben Wissenschaftler um Jens Karstens vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel neue Erkenntnisse zum Ablauf dieser Katastrophe in »Nature Communications« vorgestellt.

»Diese Einzelheiten vom historischen Ausbruch des Kolumbo kennen wir, weil es zeitgenössische Berichte gibt, die im 19. Jahrhundert von einem französischen Vulkanologen zusammengetragen und veröffentlicht worden sind«, sagt Jens Karstens. Mit seinem Team wollte er herausfinden, warum der Vulkan so heftig in die Luft ging und was genau die Tsunamis auslöste. Von Bord des inzwischen außer Dienst gestellten Forschungsschiffs »Poseidon« erstellte die Gruppe mit Hilfe seismischer Messungen ein dreidimensionales Abbild des heute 18 Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Kraters.

Der gesamte Krater hat einen Durchmesser von 2,5 Kilometern und eine Tiefe von 500 Metern. Der Ausbruch muss also sehr heftig gewesen sein. Zudem zeigte sich, dass eine Flanke des noch vorhandenen Kegels sehr stark deformiert ist, was auf eine große Abrutschung schließen lässt. Mit diesen Daten verglichen Karstens und Co die verschiedenen Mechanismen, die den Tsunami ausgelöst haben könnten, mit den Angaben der Augenzeugen.

Ihre Analyse ließ letztlich nur einen Schluss zu: Die immensen Flutwellen entstanden durch eine Kombination der Hangrutschung mit der nachfolgenden Explosion des Vulkans. Durch die Eruption allein wären lediglich Flutwellen mit bis zu sechs Meter Höhe aufgetreten, die Augenzeugen berichteten jedoch von wesentlich höheren Wellenbergen. Außerdem soll sich das Meer an einer anderen Stelle zunächst zurückgezogen haben, in der Computersimulation mit dem Explosionsszenario kommt aber zuerst ein Wellenberg an der Küste an. Erst als die Hangrutschung in das Modell mit einbezogen wurde, passten die Daten mit den historischen Beobachtungen zusammen.

»Der Kolumbo besteht aus Bimsstein, der nicht sehr stabil ist. Während der wochenlangen Eruption ist laufend Lava ausgestoßen worden. In der Magmakammer, in der viel Gas enthalten war, herrschte bereits ein enormer Druck. Als dann eine Flanke des Vulkans abgerutscht ist, hatte das einen Effekt, wie wenn man eine Sektflasche entkorkt: Das Gas aus dem Magmasystem konnte sich durch die plötzliche Entlastung ausdehnen: Es kam zu der gewaltigen Explosion.« Karstens und Co vermuten, dass ähnliche Mechanismen beim Ausbruch des Hunga Tonga im Januar 2022 abgelaufen sein könnten. Dessen Krater weise eine ähnliche Form auf wie der des Kolumbo. Diese Eruption gilt als eine der schwersten der letzten Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte.

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