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Naturschutz: Tierwanderung der Superlative im Südsudan beobachtet

Der Sudan und der Südsudan machen leider zu oft negative Schlagzeilen. Doch in der Region zählten Beobachter 2024 einen Zug von Huftieren, der kaum mehr vorstellbar klingt.
Unzählige braune Tiang-Antilopen ziehen durch die grüne Savanne im Südsudan. Einzelne unbelaubte Bäume sind erkennbar.
Millionen Huftiere wie diese Tiangs wandern durch die Graslandschaften im Südsudan.

Eine endlos scheinende Tierkolonne zieht durch die Savannen des Südsudans: Sie ist Teil eines Massenspektakels, das es so auf der Welt nur noch selten gibt – und nicht in dieser Dimension, wie Zählungen aus der Luft durch Mike Fay von der Nichtregierungsorganisation African Parks mit seinem Team aus Wissenschaftlern und Behördenvertretern des Südsudans ergaben. Ausgehend von diesen Daten schätzen sie, dass rund sechs Millionen Huftiere hier wandern: als Teil der Großen Nil-Migration, wie Fay und Co das Spektakel nennen. Sie ist die größte Wanderung von Vierbeinern auf diesem Planeten und mehr als doppelt so groß wie der Zug der Gnus, Zebras und anderer Arten in der Serengeti, an der etwa zwei Millionen Tiere beteiligt sind.

Für ihre Studie rüsteten die Wissenschaftler zwei Flugzeuge mit Kameras aus, die so programmiert waren, dass sie alle zwei Sekunden ein Foto schossen. Auf diese Weise entstanden 330 000 Bilder, die Absolventen der Universität Juba mit Hilfe einer Software zur Zählung der Wildtiere untersuchten. Insgesamt überflogen sie dabei ein Gebiet von mehr als 120 000 Quadratkilometern, das neben dem Südsudan auch angrenzende Teile von Äthiopien und praktisch das gesamte Verbreitungsgebiet von vier Antilopen umfasste.

Die so genannte Boma Badingilo Jonglei Landscape (BBJL) gehört zu den letzten wirklich großen Naturräumen der Erde, die von Menschen noch kaum umgestaltet wurden. Ein Teil davon wurde auch tatsächlich erstmals wissenschaftlich untersucht, nachdem die Region jahrzehntelang wegen der kritischen Sicherheitslage mit andauernden Kriegen nicht zugänglich war. Am stärksten vertreten waren in den Zählungen Weißohr-Moorantilopen (Kobus leucotis) mit rund fünf Millionen Tieren, gefolgt von Mongalla-Gazellen (Eudorcas albonotata) mit 350 000 Individuen, Tiangs (Damaliscus tiang) mit 300 000 und Riedböcken (Redunca redunca) mit mindestens 16 000 Tieren.

Daneben beobachtete das Team auch Giraffen, Büffel, Elefanten und Löwen. Ein Vergleich mit Studien aus den 1980er Jahren zeigt jedoch auch, dass viele sesshafte Arten, die hier nicht wandern, wie Elefant, Warzenschwein, Gepard, Flusspferd und Büffel, stark zurückgegangen sind. »Die Ergebnisse dieser Erhebung sind atemberaubend. Das erstaunliche Ausmaß der Migration wird nur noch von der Verantwortung übertroffen, ihr zukünftiges Überleben in einer äußerst komplexen Landschaft zu sichern«, sagt Peter Fearnhead von African Parks in einer Mitteilung. Wegen der weiterhin unsicheren Lage und der schlechten Zugänglichkeit lässt sich Naturtourismus als potenzielle Einkommensquelle für die Menschen der Region noch nicht nutzen, aber das Potenzial ist da.

Der Schutz der BBJL ist zudem wichtig für den Erhalt des Sudd, des zweitgrößten Feuchtgebiets der Erde und eines wichtigen Wasserspeichers für den Nil, von dessen Wasser wiederum Millionen Menschen im Sudan und in Ägypten abhängen. Immerhin zwei Nationalparks in der Region sollen helfen, die Natur und ihre wandernden Tiere zu bewahren.

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