Direkt zum Inhalt

Anthropologie: Neandertalerkind über ein Jahr gestillt

Kind wird gestillt

Wie lange ein Kind gestillt werden sollte, wird heiß und sehr emotional diskutiert. Empfehlungen der WHO – sechs Monate ohne Beikost – wurden bereits mehrfach in Frage gestellt. Zur Lösung solcher Fragen ist neben dem Vergleich mit Naturvölkern auch der Blick in die Vergangenheit beliebt: Forscher der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York analysierten einen Zahn eines Neandertalerkindes und zeigten, dass bei diesem Kind nach einem guten Jahr Schluss war mit der Muttermilch.

Zu den Ergebnissen kamen die Forscher mit Hilfe einer raffinierten neuen Methode: Mittels Spektroskopie untersuchten Christine Austin und ihre Kollegen die Verteilung des Spurenelements Barium im Zahnschmelz von Menschen- und Affenbabyzähnen. Die Verteilung des Elements innerhalb der Wachstumslinien variiert je nach Bariumgehalt der Babynahrung. Über die Nabelschnur bekommt der Fötus wenig Mineralstoff, über die mütterliche Brust hingegen besonders viel. So wird während des Stillens am meisten Barium in den Zahnschmelz eingelagert. Diese Einlagerungen verraten den Wissenschaftlern, wie lange das Kind von seiner Mutter gestillt wurde.

Die Forscher schauten sich anschließend die Bariumverteilung eines Neandertalerzahns an und stellten fest: Das Neandertalerkind bekam sieben Monate ausschließlich Muttermilch, weitere sieben Monate wurde feste Nahrung zugefüttert und anschließend abgestillt. Da es sich hier aber nur um Daten eines einzelnen Neandertalerkindes handelt, können die Wissenschaftler keine Aussage über allgemeine Stillgewohnheiten in der Steinzeit treffen.

Obwohl für viele 14 Monate Stillen sehr lange wirken mag, ist das im Vergleich mit der Stilldauer in Naturvölkern eher kurz. Anthropologen berichten, dass die Kinder im Schnitt bis zu drei Jahre gestillt werden. Manchmal wird das Stillen hier sogar fälschlicherweise noch zu den Verhütungsmethoden gezählt. Unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, säugen ihre Sprösslinge sogar rund fünf Jahre. Eine generelle Lösung der Abstillfrage gibt es nicht. Bloß Mütter in Entwicklungsländern sollten versuchen, später abzustillen, weil hier sauberes Trinkwasser und eine gesunde Ernährung für das Kind oft nicht gewährleistet werden können.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.