Negative Emissionen: Vulkangestein soll Klimaziele retten
Basalt ist das Material der Weltuntergänge. Kilometerdicke Schichten dieses Gesteins in Sibirien zeugen vom Untergang fast allen Lebens vor 251 Millionen Jahren ,und dicke Basaltlagen in Nordamerika markieren ein Massenaussterben vor 200 Millionen Jahren. Selbst das Zeitalter der Dinosaurier, als dessen Schlusspunkt man gemeinhin einen Asteroideneinschlag betrachtet, endete verdächtig gleichzeitig mit dem Entstehen der Dekkan-Basaltplateaus in Indien. Die nächste Apokalypse aber soll das schwarze, schwere Gestein nun verhindern helfen. Fein zermahlen kann es überschüssiges Treibhausgas aus der Atmosphäre ziehen.
Diese als »negative Emissionen« bezeichnete Komponente des Klimaschutzes ist nach Ansicht vieler Fachleute, darunter auch der Weltklimarat, die einzige Chance, die Klimaziele von Paris noch zu erreichen. »Das Schöne an dieser Methode ist, dass die Technologien im Wesentlichen da sind«, sagt der Verwitterungsfachmann Thorben Amann von der Universität Hamburg. »Man braucht da also nicht noch irgendetwas zu erfinden, um das umzusetzen.« Tatsächlich läuft der Vorgang überall ab, wo frisches Gestein mit Wasser und Kohlendioxid in Kontakt kommt. Man bezeichnet das als chemische Verwitterung. Silikathaltige Minerale lösen sich langsam auf, wenn sie mit Kohlensäure – in Wasser gelöstem Kohlendioxid – zusammentreffen.
Dabei entsteht Hydrogenkarbonat, das im Wasser gelöst bleibt. Meerestiere können aus diesem Molekül Kalzium- und Magnesiumkarbonat für ihre Kalkschalen herstellen, und dieses sinkt zum Meeresgrund, wo es für Millionen Jahre aus dem Kreislauf verschwindet. Allerdings ist der Vorgang sehr langsam. Die Menge an Kohlendioxid, die so auf natürlichem Weg pro Jahr aus der Atmosphäre verschwindet, entspricht nur etwa 0,3 Prozent der menschengemachten Emissionen. Doch hilft man ein bisschen nach, komme man mit der Technik sehr schnell auf sehr große Mengen, erklärt Amann. Denn wenn man das Gestein zerkleinert, wächst die Oberfläche dramatisch – und damit auch der Kontakt zwischen Wasser, Kohlendioxid und Gestein, an dem die chemische Reaktion stattfindet.
Wie Basalt negative Emissionen erzeugt
Basalt ist eines der am besten geeigneten Gesteine, um Kohlendioxid effektiv zu binden. Dafür muss es möglichst große Mengen der wichtigsten chemischen Zutaten für den Vorgang enthalten: Kalzium- und Magnesiumsilikate. Denn mit diesen Metallen bildet am Ende Karbonat unlösliche Minerale, die aus dem Kreislauf verschwinden. Und Basalt ist recht reich an diesen Elementen. Außerdem gibt es Basalt in gigantischen Mengen. Es macht einen großen Teil der Erdkruste aus und ist in vielen alten Vulkangebieten zu finden, in Deutschland zum Beispiel in der Schwäbischen Alb.
Schon heute fallen beim Abbau des Basalts Schotter und Gesteinsstaub an, der sich für die beschleunigte Verwitterung eignen würde. Tatsächlich kann man beides bereits mit verhältnismäßig geringem Energieaufwand in großen Mengen herstellen. »Selbst bei dem heutigen deutschen Strommix würden Abbau und Zerkleinerung des Basalts die CO2-Bilanz nur wenig schmälern«, sagt zum Beispiel Jessica Strefler, Leiterin der Arbeitsgruppe Kohlenstoffmanagement am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), gegenüber dem Science Media Center.
Allerdings hat das Verfahren auch Grenzen – man kann nicht einfach beliebig viel Basalt ausbringen, so dass negative Emissionen das Klimaproblem auf einen Schlag lösen. Das offensichtlichste Problem: Die Reaktion erhöht nicht nur die Konzentrationen von Kalzium und Silizium, sondern auch den pH-Wert. Wasser und Boden werden alkalischer, wenn bei der Verwitterung Kohlensäure verbraucht wird.
So habe eine Modellrechnung gezeigt, dass die Methode geochemische Grenzen überschreiten und Ökosysteme dramatisch verändern würde, wenn man auf diesem Weg versucht, die Emissionen der Menschheit komplett abzufangen, sagt Amann und fügt hinzu: »Ganz realistisch betrachtet scheint das Potenzial etwa bis fünf Gigatonnen CO2 pro Jahr zu gehen.« Das ist etwa ein Achtel der jährlichen weltweiten Emissionen.
Beschleunigte Verwitterung nützt auch dem Boden
Außerdem ist die Treibhausgasbilanz von Basalt nicht überall gleich gut. Temperatur, Feuchtigkeit und Vegetation haben einen erheblichen Einfluss darauf, wie schnell das Gestein verwittert, und damit auch darauf, wie effektiv das Verfahren Kohlendioxid bindet. Am geeignetsten sind deswegen die Gebiete um den Äquator – in Deutschland sei das Potenzial eher begrenzt, sagt Amann, man würde die Technik eher in warmen, feuchten Regionen einsetzen. Um die Verwitterung weiter zu beschleunigen, soll der Gesteinsstaub auf landwirtschaftlichen und anderen bewachsenen Flächen ausgebracht werden. Pflanzenwurzeln und Mikroorganismen in fruchtbarem Boden setzen Kohlendioxid frei, so dass die Minerale schneller aufgelöst werden.
Dort wiederum stellt sich die Frage nach möglichen Langzeitfolgen: »Vor einem Praxiseinsatz müssten zunächst die Auswirkungen auf Pflanzen und Böden und andere mögliche Nebenwirkungen getestet werden«, sagt Strefler. Darunter fallen zum Beispiel auch recht hohe Konzentrationen giftiger Metalle in einigen Basalten, die sich im Boden und in den Pflanzen anreichern könnten.
Doch vermutlich sei der Effekt auf den Boden bei sinnvollem Einsatz vor allem positiv, erklärt auch die Forscherin. Indem der Basalt Kohlensäure verbraucht und Magnesium und Kalzium freisetzt, verbessert er das Bodenmilieu, was die Erträge landwirtschaftlicher Flächen deutlich erhöhen kann. Tatsächlich nutzen Landwirte bereits heute Gesteinsstaub, um ausgelaugte oder saure Böden zu verbessern. Nicht zuletzt könne dadurch der Treibhausgaseffekt der Methode größer sein als durch die reine chemische Verwitterung allein. »Basaltstaub verbessert generell die Bodenfruchtbarkeit und könnte so die Speicherung von Kohlenstoff erhöhen«, sagt Stefler.
Wie viel CO2 bindet man wirklich?
Einiges spricht jedoch dafür, dass die Technik grundsätzlich sehr umweltverträglich ist – nicht zuletzt, da es sich um einen natürlichen Vorgang handelt. Tatsächlich stabilisiert dieser Mechanismus das Erdklima seit Milliarden Jahren. Ist wenig des Treibhausgases in der Atmosphäre, verwittern Gesteine langsamer und ziehen wenig Kohlendioxid aus der Atmosphäre; ist viel davon da, beschleunigt sich der Zerfall der Gesteine und die Konzentration des Gases verringert sich.
Die große Vielfalt an möglichen Anwendungen und Auswirkungen – zum Beispiel könnte man für die Landwirtschaft ungeeigneten, metallreichen Basalt an Stränden verwittern lassen – ist allerdings auch ein Problem der Technik. Denn viele Klimaschutzpläne sehen vor, Kohlendioxid über Zertifikate zu handeln, so dass negative Emissionen bares Geld wert sind. Und damit ist diese Unsicherheit eine große Herausforderung. Wegen der vielen verschiedenen Einflüsse ist es sehr schwierig, genau zu sagen, wie viel CO2 bei einer konkreten Anwendung gebunden wird.
»Das große Thema bei allen Methoden, die nicht direkt CO2 auffangen, ist die Bilanzierung«, erklärt Amann. »Also: Wie kann ich sicher sein, dass ich die Tonne CO2 auch eingefangen habe? Denn das ist ja wichtig, wenn wir das in einen CO2-Zertifikatehandel einbinden.« Bisher ist noch unklar, wie man die Absorption der Treibhausgase bestimmt. Ein Grund dafür ist, dass man den Abbau des fein verteilten Gesteinsmehls nur schwer direkt messen kann – der andere aber, dass es bisher noch kaum praktische Forschung dazu gibt. »Wir haben Ergebnisse aus dem Labor, und jetzt müssen wir sehen, ob sich diese Ergebnisse auf das Freiland übertragen lassen«, sagt Amann.
Das betrifft nicht nur die für die Verrechnung wichtige CO2-Bilanz, sondern auch mögliche negative Auswirkungen auf Boden und Gewässer. Umgekehrt ist außerdem unklar, wie stark Düngung durch das verwitternde Gestein das Pflanzenwachstum fördert und wie viel zusätzliches Kohlendioxid dadurch aus der Atmosphäre verschwindet. Diese zusätzliche Biomasse könnte laut Berechnungen ganz erheblich sein. Besonders relevant erweist sich das auf tropischen Böden, die oft arm an Phosphor sind. Dadurch begrenzt die Phosphormenge im Boden das Pflanzenwachstum weit unterhalb der theoretisch möglichen Biomasse. Basalt könnte das ändern.
Das Problem an Steinen ist, dass sie schwer sind
Diesen Effekt analysierte vor Kurzem eine Arbeitsgruppe um Daniel Goll von der Universität Augsburg in einem Computermodell, das einige Aufmerksamkeit erregte. Basaltstaub liefert zusätzlichen Phosphor, und mehr Biomasse entsteht – besonders in tropischen und subtropischen Wäldern. Bisherige Untersuchungen hatten vor allem das Potenzial von Ackerböden betrachtet – doch wie sich jetzt zeigt, funktioniert die Technik auch in von Menschen nicht genutzten Ökosystemen.
Im Gegensatz zur Anwendung auf landwirtschaftlichen Flächen stellt sich dabei die Frage nach den Energiekosten. Eigentlich ist der Aufwand für die Gewinnung des Materials überschaubar. Dadurch, dass man nicht zusätzlich noch einen Rohstoff aus dem Gestein befreien und aufreinigen muss, ist diese Art von Bergbau weit weniger umweltschädlich als die meisten anderen.
Den Gesteinsstaub an den vorgesehenen Ort zu transportieren, könnte dagegen erhebliche Emissionen erzeugen – denn Basalt ist schwer. Und damit hängen die Klimakosten auch davon ab, welches Transportmittel man wählt. So sehen manche Pläne vor, das Gestein etwa mit Flugzeugen über entlegenen Regionen auszubringen. Dies würde enorme Flächen erschließen und speziell in tropischen Wäldern auf mageren Böden erhebliche Zugewinne an Biomasse bringen, wie die Simulation von Golls Team zeigt.
Die Energiekosten dafür wären jedoch ebenfalls enorm. »Bei einer Ausbringung per Flugzeug wären die durch Produktion und Transport von Gesteinsmehl entstehenden CO2-Emissionen fast so hoch wie die erwartete CO2-Entnahme durch Verwitterung des Basaltstaubs«, erklärt Andreas Oschlies vom Geomar gegenüber dem Science Media Center. Nicht zuletzt stellt sich auch hier die Frage nach der Bilanzierung – denn es ist schon auf dem Acker schwierig genug, negative Emissionen zu messen. »Es ist unklar, wie das in schwer zugänglichen natürlichen Ökosystemen erfolgen sollte«, sagt Oschlies.
Keine Alternative zur Emissionssenkung
Es zeichnet sich deswegen ab, dass die beschleunigte Verwitterung trotz ihrer Vorteile nur ein relativ begrenztes Potenzial hat. Die letzten, sehr konservativen Einschätzungen seien zwei oder zweieinhalb Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr, erklärt Amann – etwas mehr als ein Zwanzigstel der weltweiten jährlichen Emissionen. »Das klingt ja erstmal nach relativ wenig im Vergleich zu den gesamten Treibhausgasemissionen.« Man müsse das jedoch im Kontext sehen, sagt der Forscher.
»Wir sind jetzt auf dem Stand, dass so langsam die Feldforschung losgeht«
Thorben Amann, Verwitterungsfachmann
Denn die beschleunigte Verwitterung ist ja keineswegs das einzige Verfahren – und es lässt sich sogar mit anderen Techniken ergänzen. Beispiele dafür sind biomassebasierte Verfahren wie Biokohle, Biomasseverbrennung mit CO2-Einfang (BECCS) oder auch Aufforstung von Wäldern. All diese Techniken erfordern zusätzliche Nährstoffe, die verwitternder Basalt liefern könnte. Denn das Verfahren funktioniert in den meisten Böden, solange diese hinreichend feucht sind.
Gerade dass das Prinzip der beschleunigten Verwitterung so einfach und universell einsetzbar ist, macht die Sache so kompliziert. Im Prinzip braucht man für jeden Anwendungsfall eine eigene Treibhausgasbilanz, erklärt Amann. »Wenn man CO2 aus dem Abgas zieht, ist das natürlich einfacher.« Der Forscher sieht deswegen die Technik bei allem Potenzial noch relativ am Anfang. »Wir sind jetzt auf dem Stand, dass so langsam die Feldforschung losgeht«, sagt er.
Nicht zuletzt sei der Vergleich mit den Gesamtemissionen der Menschheit irreführend. »Wir wollen ja eben nicht die gesamten Emissionen einfangen, sondern sie weiterhin senken.« Welche Rolle negative Emissionen beim Klimaschutz spielen, zeigt das in Paris beschlossene 1,5-Grad-Ziel. Diese Vereinbarung basiert zwar auf sehr drastischen Rückgängen des globalen Kohlendioxidausstoßes – gleichzeitig jedoch ist seit Jahren klar, dass das Ziel ohne den Beitrag von Technologien wie der beschleunigten Verwitterung von Basalt nicht zu erreichen ist. Diese müssen dafür aber keineswegs immense Mengen Treibhausgas einfangen. »Da reichen relativ kleine Potenziale zusammen mit der Treibhausgasreduktion«, sagt Amann.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.