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Negative Emissionen: Deutschland geht Luft holen

Kohlendioxid lässt sich im Prinzip wieder aus der Atmosphäre entfernen. Aber nicht jede denkbare technische oder biologische Maßnahme ist auch umsetzbar. Nun hat ein Forschungsteam die Optionen in Deutschland bewertet.
Ein Windrad steht neben einem Kohlekraftwerk
Die Klimaziele lassen sich nicht mehr allein dadurch erreichen, dass herkömmliche Kraftwerke durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Das zwischenzeitlich ausgestoßene Treibhausgas muss zudem irgendwie zurück auf den Erdboden – nur wie?

Einmal emittiertes Kohlendioxid muss nicht ewig in der Atmosphäre bleiben und den Klimawandel anheizen. Es gibt unterschiedliche Ansätze, mit denen es sich wieder entfernen lässt, um die Erderwärmung zu bremsen – neben verschiedenen natürlichen Prozessen liegen diverse technische Möglichkeiten im Fokus. Allerdings lässt sich nicht jede Maßnahme gleich gut umsetzen. Nun hat eine Forschungsgruppe um Malgorzata Borchers und Johannes Förster vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Nadine Mengis vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel die verschiedenen Optionen für Deutschland bewertet.

Das Team untersuchte verschiedene Strategien für die CO2-Entnahme hinsichtlich ihres Potenzials und möglicher praktischer Hürden. Unter dem Strich lassen sich Ökosysteme besonders einfach dazu bringen, mehr Kohlenstoff einzulagern, insgesamt jedoch tragen sie nicht viel bei. Bei potenziell leistungsfähigeren Konzepten aus der Chemie und Bioenergie hingegen sieht es in der Anwendung schwieriger aus.

Die 28-köpfige Forschungsgruppe hat sich 14 Methoden im Detail angeschaut, die als viel versprechend gelten und in Deutschland teils bereits rege diskutiert werden. Darunter waren einerseits fünf biologische Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, Aufforstung oder der Anbau von Zwischenfrüchten in der Landwirtschaft, wodurch sich Bodensubstanz aufbauen lässt. Andererseits betrachtete das interdisziplinäre Team technologische Ansätze wie die künstlich beschleunigte Verwitterung von Gestein, die Abscheidung von CO2 direkt aus der Luft oder mittels Erzeugung von Bioenergie, gefolgt von der Verpressung in den Untergrund. Diese Form der Endlagerung gilt in Deutschland als machbar, ist aber umstritten.

Alle Strategien bewerteten die Fachleute hinsichtlich sechs verschiedener Fragekategorien: Wie stark trägt die Maßnahme zum Klimaschutz bei? Wie wirkt sie sich auf die Umwelt aus? Lässt sie sich technologisch umsetzen? Was bedeutet sie wirtschaftlich? Welche institutionellen Hürden gibt es? Und welche sozialen? Bei jeder Fragestellung berücksichtigten sie verschiedene Teilaspekte (in der Ökonomie etwa Investitionsrisiken, die Kosten pro entnommener Tonne CO2 sowie das Potenzial für Preissenkungen) und verpassten den Antworten je nach Bewertung eine Ampelfarbe.

So entstand eine umfangreiche Tabelle, in der die jeweilige Methode in jedem Bereich mal mehr, mal weniger intensiv grün, gelb oder rot aufleuchtet. Die Übersicht wirkt auf den ersten Blick enorm komplex. Lässt sich nicht eine einfache Antwort auf die Frage finden, welcher Weg zur CO2-Speicherung in Deutschland am meisten verspricht?

Leider ist die Wirklichkeit wie so oft nicht klar schwarz oder weiß (beziehungsweise rot oder grün). Wo in der Matrix manche Felder in sattem Grün leuchten, schalten benachbarte schnell auf Rot. Beispielsweise sind die technologischen Hürden bei ökosystembasierten Maßnahmen niedrig – jetzt schon werden mancherorts Wälder aufgeforstet oder Moore wiedervernässt. Deswegen gibt es hier außerdem bereits definierte Abläufe und Erfahrungen, die auch im institutionellen Bereich und im Umweltsektor überwiegend für Grün sorgen. Doch beim Klimapotenzial und bei der sozialen Akzeptanz endet die freie Fahrt: Die zur Verfügung stehenden Flächen sind begrenzt, zudem gibt es Nutzungskonflikte mit der Landwirtschaft.

Umgekehrt könnten sich über Bioenergie mit Abscheidung von CO2 große Mengen des Gases beseitigen lassen. Dabei werden Pflanzen angebaut, um sie zu verbrennen und das Abgas aufzufangen. Ebenso entwickeln Unternehmen Verfahren, die mit leistungsfähigen Ventilatoren und Filtern CO2 aus der Luft entnehmen sollen. Beide Strategien könnten gut skalieren und so jede Menge Klimagas unschädlich machen. Doch unter anderem bei der Wirtschaftlichkeit musste das Forschungsteam um Borchers, Förster und Mengis dicke rote Fragezeichen notieren.

Große Hoffnung aus der Luft gegriffen?

Die direkte Entnahme mittels spezieller Geräte ist extrem energieintensiv und damit teuer, während Bioenergie mit der Nahrungsmittelproduktion und dem Umweltschutz konkurriert. Bei der Verpressung des CO2 in den Untergrund drohen viel Aufwand sowie Widerstand in betroffenen Regionen. Das macht Investitionen kapitalintensiv und riskant. Auch die beschleunigte Verwitterung, bei der feines Gesteinsmehl beschleunigt CO2 aus der Atmosphäre aufnimmt, hat großes Potenzial, aber die Umsetzbarkeit ist fraglich: Wie und mit welchem Aufwand kommen wir an das zerkleinerte Gestein, wo bringen wir es aus, und welche Folgen hat das dort?

Bei manchen Fragen ist überdies noch gar nicht klar, ob sie sich für Deutschland positiv oder negativ beantworten lassen. Daher zeigen sich in der Übersicht zahlreiche farblose Flecken – Bereiche, bei denen das Team mangels Daten keine Bewertung vornehmen konnte. Die Lücken kann die Forschung nicht allein schließen; das ist ebenso ein gesellschaftlicher Auftrag wie jede der vorgenommenen Einfärbungen auf lokaler Ebene zu überprüfen. Hier und dort mag die Ampel auf eine andere Farbe springen als in der gesamtdeutschen Betrachtung.

Während sich das CO2 in der Atmosphäre global auswirkt, schlagen sich alle Maßnahmen zu dessen Entfernung vor Ort nieder. Wo Biomasse angebaut wird, um sie zu verbrennen, wachsen keine Nahrungsmittel. Wo aufgeforstet oder wiedervernässt wird, ändern sich Landschaft und Landwirtschaft. Wo CO2 energieintensiv aus der Luft entfernt wird, muss das Netz erst einmal klimaneutralen Strom und Wärme bereitstellen, die dann in der Umgebung für andere Zwecke fehlen. Und wo das Gas in den Untergrund verpresst wird, kommen Ängste vor Risiken hoch. Zahlreiche Verflechtungen machen die Bilanz nicht einfacher: Wenn Mais auf einem trockengelegten Moor wächst, könnte es sich für das Klima eher lohnen, die Fläche wieder zu vernässen, statt die Pflanzen in eine Vergasungsanlage zu stopfen. Die Herausforderung ist, das zu erkennen und gerechte Anreize zu setzen.

Bei der CO2-Speicherung kann es keine beste Lösung für ganz Deutschland geben

Deshalb kann es bei der CO2-Speicherung keine beste Lösung für ganz Deutschland geben. Klar ist nur: Es muss viel mehr viel schneller passieren. Was allerdings an welcher Stelle wie gut funktioniert, wie sich die Vor- und Nachteile der einzelnen Methoden angemessen verteilen – das wird ein ähnlich buntes Mosaik zeichnen wie die Übersichtstabelle der Studie.

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  • Quellen
Borchers, M. et al.: A comprehensive assessment of carbon dioxide removal options for Germany. Earth's Future 12, 2024

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