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Negative Gedanken: Doch lieber verdrängen?

Anstatt sich immer wieder Ängste und Sorgen ins Gedächtnis zu rufen, kann es hilfreich sein, sie aktiv zu unterdrücken. Das steigert womöglich das Wohlbefinden und lindert Symptome psychischer Erkrankungen.
Junger Mann lehnt sich mit ausgestreckten Händen auf einen Zaun
Manchmal kann es helfen, negative Gedanken gar nicht erst zuzulassen und so den Grübelkreislauf zu durchbrechen (Symbolbild).

Während der Covid-19-Pandemie haben Ängste, Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und Depressionen weltweit zugenommen. Menschen mit solchen Erkrankungen wird in konventionellen Therapien häufig angeraten, ihre Sorgen und Ängste nicht zu verdrängen. Denn diese würden dadurch nur schlimmer. Zulkayda Mamat und Michael C. Anderson von der University of Cambridge wollten diese Sichtweise auf die Probe stellen und fanden das Gegenteil, wie sie in »Science Advances« berichten: Einige Formen der Gedankenunterdrückung könnten demnach tatsächlich hilfreich sein.

Die beiden Forschenden luden 120 Freiwillige aus 16 Ländern, darunter auch Deutschland, zu ihren Experimenten ein und baten sie, sich Zukunftsszenarien vorzustellen, die in den nächsten zwei Jahren auf sie zukommen könnten. Jedem der Teilnehmenden fielen 20 negative Szenarien ein, vor denen er oder sie sich fürchtete, etwa der Verlust eines geliebten Menschen. Außerdem nannten sie jeweils 20 Hoffnungen sowie 36 neutrale Alltagsszenen wie das Aufhängen von Wäsche. Für jedes Szenario mussten die Probandinnen und Probanden ein Stichwort wählen, mit dem der Gedanke hervorgerufen werden konnte – etwa »Atmen« für die Sorge vor einem Krankenhausbesuch der Eltern als Folge von Covid-19.

Die Freiwilligen wurden außerdem gebeten, jeden Gedanken zu bewerten: unter anderem den empfundenen Grad der Angst oder die Intensität des Imaginierten. Die Probanden füllten auch Fragebogen aus, um ihre psychische Gesundheit zu beurteilen. Einige von ihnen hatten Symptome schwerer Depressionen, Angstzustände und pandemiebedingten posttraumatischen Stress.

Mamat und Anderson unterzogen die Gruppe nun einem Training per Zoom – und zwar drei Tage lang für jeweils 20 Minuten. Damit wählten sie eine videobasierte Methode, die auch im »echten« Therapie-Setting gut anwendbar wäre. Die eine Hälfte der Probanden sollte dabei lernen, negative Gedanken zu unterdrücken, die andere, neutrale Gedanken zu verdrängen. Hierfür zeigte das Forscherduo ihnen für einige Sekunden das zuvor festgelegte Stichwort und bat die Freiwilligen dann, sich das Ereignis zunächst lebhaft vorzustellen und dann aktiv abzublocken.

Am Ende des dritten Tages und drei Monate später wurden die Probanden gefragt, wie intensiv und lebhaft sie sich die einzelnen Szenarien noch vorstellen konnten, welche Gefühle diese auslösten und wie es ihnen psychisch ging. Es zeigte sich: Gedanken, die die Teilnehmenden aktiv verdrängt hatten, nahmen sie nun als weniger lebhaft wahr. Das galt zwar für beide Gruppen, jedoch war der Effekt bei denjenigen, die Ängste unterdrückt hatten, stärker ausgeprägt. Diese berichteten auch von weniger negativen Gefühlen, Ängsten und depressiven Symptomen. Die Auswirkungen bestanden auch noch drei Monate nach dem Training.

Psychisch besonders stark belastete Probanden profitierten am meisten von dem Training. Und das Verdrängen der negativen Gedanken führte auch nicht zu einem so genannten »Rebound«: Nur eine von 120 Personen erinnerte sich nach dem Training detaillierter an unterdrückte Ereignisse.

Möglicherweise kann es also vorteilhaft sein, Angst machende Vorstellungen zu unterdrücken. Trotzdem könnte das bei manchen Gedanken auch schädlich sein, sagt Mamat. »Es gibt einige Sorgen, über die man versuchen sollte nachzudenken, sie zu verarbeiten und damit umzugehen. Aber es gibt auch andere Gedanken, gegen die man nichts tun kann, und die zu unterdrücken könnte helfen«, so die Kognitionswissenschaftlerin.

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