Gerechtigkeitsempfinden: Neoliberalismus fördert Akzeptanz von Ungleichheit
»Die Wirtschaft ist die Methode; das Ziel ist es, Herz und Seele zu verändern.« Gemäß diesem Motto stieß die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher in den 1980er Jahren einige neoliberale Reformen in Großbritannien an: Privatisierung staatlicher Konzerne, Rückzug des Wohlfahrtstaats und Beschneidung von Umverteilungsprogrammen. Ein Team um Shahrzad Goudarzi von der New York University untersuchte jetzt, ob eine neoliberale Politik das Gerechtigkeitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger beeinflusst. Ihre Resultate veröffentlichte es in »Perspectives on Psychological Science«. »Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein paar Jahre ausreichen, damit Systeme, wie Thatcher es formulierte, ›Seelen‹ verändern«, so Goudarzi.
Die Forschungsgruppe analysierte mehrere Daten von 1995 bis 2019 aus mehr als 160 Ländern. Dazu gehörte der Economic Freedom Index, in dem Staatsausgaben, Spitzensteuersätze und Arbeitnehmerrechte erfasst sind. Hieraus lässt sich ableiten, wie neoliberal die Politik eines Staats ist. Daten über das individuelle Gerechtigkeitsempfinden erlangten die Forscher aus der World Values Survey, der weltweit umfangreichsten Umfrage über menschliche Werte. Unter anderem geben die Teilnehmenden darin an, ob sich ihrer Meinung nach das Einkommen angleichen sollte oder ob größere Lohnunterschiede notwendig seien, um individuelle Leistungen zu belohnen.
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Menschen in neoliberaleren Staaten größere Lohnunterschiede guthießen. Weil die Daten zu mehreren Zeitpunkten erhoben wurden, konnten sie ausmachen, dass sich zuerst das Wirtschaftssystem veränderte und sich die persönlichen Einstellungen dem anglichen. »Neoliberale, marktwirtschaftliche Reformen scheinen die Präferenz der Menschen für ein hohes Maß an Einkommensungleichheit zu erhöhen«, erklärt Goudarzi.
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