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Wachkoma: Nervenstimulation bringt Bewusstsein zurück

Eine Stimulation des Vagusnervs hilft vielleicht nicht nur Patienten mit Epilepsie oder Depression. Auch Menschen im Wachkoma könnten davon profitieren.
Illustration vor dunklem Hintergrund: Hirnwellen in blau leuchtend strömen von links kommend auf einen seitlich mit sichtbarem Gehirn dargestellten Kopf ein.

Einem Team um Martina Corazzol von der Université Claude Bernard Lyon 1 ist es mit Hilfe von Nervenstimulation gelungen, einem Wachkomapatienten wieder Bewusstseinsregungen zu entlocken. Der 35-Jährige habe sich zum Zeitpunkt des Experiments seit 15 Jahren in einem vegetativen Zustand befunden, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Einzelfallstudie, die sie nun im Fachmagazin "Current Biology" veröffentlichten. Ein solcher Zustand ist dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen zwar oft noch über grundlegende Körperfunktionen wie Atmung und Schlaf-wach-Rhythmus verfügen, jedoch keine bewusste Reaktion mehr auf ihre Umwelt zeigen. Bei dem Patienten aus der vorliegenden Studie war ein schweres Schädel-Hirn-Trauma nach einem Autounfall dafür verantwortlich.

Um zu sehen, ob sich der Zustand ihres Probanden doch noch bessern lässt, implantierten Corazzol und ihre Kollegen ihm einen Vagusnervstimulator im Brustbereich unter die Haut. Der Vagusnerv ist der zehnte Hirnnerv und verbindet das Gehirn mit einer Reihe anderer Körperteile und Organe wie dem Darm. Von seiner Stimulation können beispielsweise Epilepsiepatienten oder Menschen mit einer behandlungsresistenten Depression profitieren – und anscheinend auch Komapatienten, wie die Ergebnisse der Untersuchung nahelegen.

Schon einen Monat nach dem Eingriff besserten sich die Hirnaktivität, die Aufmerksamkeit und das Verhalten des 35-Jährigen messbar. Er war nun etwa dazu in der Lage, mit seinen Augen einem Objekt zu folgen oder den Kopf auf Kommando zu bewegen. Zudem schien der Patient länger wach zu bleiben, wenn man ihm etwas vorlas, und wenn die Wissenschaftler sich plötzlich mit dem Kopf seinem Gesicht näherten, weitete er überrascht die Augen. Aufnahmen, welche die Forscher mittels Positronenemissionstomografie (PET) anfertigten, zeigen, dass sich auch die Kommunikation zwischen verschiedenen Hirnarealen verbessert hatte. Corazzol und ihre Kollegen werten dies als ein Indiz dafür, dass der Mann nach Jahren im vegetativen Zustand wieder zu einem Zustand minimalen Bewusstseins zurückgekehrt zu sein scheint.

Als Nächstes planen die französischen Forscher, eine größere Studie mit mehr Patienten durchzuführen. Sie soll offenbaren, ob die Vagusnervstimulation tatsächlich das Zeug zu einer Therapieoption bei Wachkomapatienten hat.

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