Neurodegeneration: Nervenvorläuferzellen produzieren Protein gegen Multiple Sklerose
Derzeit sind Mediziner noch hilflos gegen den fortschreitenden Verfall von Nervenzellen, der charakteristisch für die multiple Sklerose ist. Bei der Autoimmunkrankheit wenden sich körpereigene Antikörper gegen die Myelin-Schutzschicht der Neuronen und zerstören sie allmählich. Immerhin haben Forscher im Tierversuch herausgefunden, dass eine Transplantation von gesunden Nervenvorläuferzellen die Autoimmunattacken unterbinden helfen könnte. Nun zeigen Jingwu Zhang von der JiaoTong University in Schanghai und seine Kollegen, warum das so ist – und eröffnen neue, vielleicht schneller umsetzbare Ansätze für eine mögliche Therapie der Zukunft [1].
Die Wissenschaftler konnten in ihren Versuchen zeigen, wie die stammzellähnlichen Nervenvorläuferzellen in das Krankheitsgeschehen eingreifen, bei dem am Ende so genannte TH17-Zellen den eigenen Körper attackieren. Dieser T-Zelltyp reift bei Gesunden wie Kranken aus Vorläufer-T-Zellen, wenn an einen spezifischen Rezeptor auf ihrer Oberfläche der Signalstoff Interleukin-6 bindet. Normalerweise verteidigt TH17 die inneren Organe gegen eindringende Pathogene, die Autoimmunreaktion kann aber auftreten, wenn die Reaktion nicht ausreichend ausbalanciert ist. Und eben für diese Balance, so Zhang und Co, sind auch die neuronalen Vorläuferzellen mitverantwortlich: Sie produzieren den Faktor LIF (leukaemia inhibiting factor), der dem IL-6 entgegenarbeitet.
Die Erkenntnisse des chinesischen Teams verdeutlichen nun, warum die Mausvariante der multiplen Sklerose durch eine Transplanatation von neuronalen Vorläuferzellen behandelt werden kann: die transplantierten Zellen produzieren LIF, das den krankheitsbedingten Überschuss von IL-6 kompensiert und dafür sorgt, dass weniger TH17-Zellen entstehen.
Nun liegt nahe, LIF als Wirkstoff direkt einzusetzten, um das aus dem Ruder geratene Gleichgewicht von Autoimmunpatienten auszutarieren, kommentiert die Neurologin Su Metcalfe von der britischen University of Cambridge [2]. Dem stehen allerdings noch Hindernisse entgegen: LIF zerfällt zum Beispiel zu schnell, um ins Blut gespritzt eine Wirkung erzielen zu können. Andere Wege – etwa den Transport von LIF in der Körper über eine Virusfähre – werden derzeit untersucht. Entscheidend für den Erfolg einer LIF-Therapie wäre aber auch, bei Betroffenen die bereits aus dem Ruder gelaufene Armada von TH17-Zellen zunächst zu zerstören. Erst dann könne sich, bei einem ausgewogenen Verhältnis von IL-6 und LIF, die gesunde Immunbalance neu und auf Dauer einpendeln, vermutet Metcalfe. (jo)
Die Wissenschaftler konnten in ihren Versuchen zeigen, wie die stammzellähnlichen Nervenvorläuferzellen in das Krankheitsgeschehen eingreifen, bei dem am Ende so genannte TH17-Zellen den eigenen Körper attackieren. Dieser T-Zelltyp reift bei Gesunden wie Kranken aus Vorläufer-T-Zellen, wenn an einen spezifischen Rezeptor auf ihrer Oberfläche der Signalstoff Interleukin-6 bindet. Normalerweise verteidigt TH17 die inneren Organe gegen eindringende Pathogene, die Autoimmunreaktion kann aber auftreten, wenn die Reaktion nicht ausreichend ausbalanciert ist. Und eben für diese Balance, so Zhang und Co, sind auch die neuronalen Vorläuferzellen mitverantwortlich: Sie produzieren den Faktor LIF (leukaemia inhibiting factor), der dem IL-6 entgegenarbeitet.
Auch LIF, so die Forscher, bindet an einen Rezeptor auf den reifenden T-Zellen, verhindert aber im Gegensatz zu IL-6 die Differenzierung in TH17. Stattdessen entstehen sogar – wenn IL-6 fehlt – aus den Vorläufer-T-Zellen Treg-Zellen, die einer Autoimmunreaktion entgegen arbeiten und den Angriff fehlgeleiteter T-Zellen auf körpereigene Neurone bremsen. Zudem fördert LIF offenbar die Reparatur bereits geschädigter Myelinscheiden.
Die Erkenntnisse des chinesischen Teams verdeutlichen nun, warum die Mausvariante der multiplen Sklerose durch eine Transplanatation von neuronalen Vorläuferzellen behandelt werden kann: die transplantierten Zellen produzieren LIF, das den krankheitsbedingten Überschuss von IL-6 kompensiert und dafür sorgt, dass weniger TH17-Zellen entstehen.
Nun liegt nahe, LIF als Wirkstoff direkt einzusetzten, um das aus dem Ruder geratene Gleichgewicht von Autoimmunpatienten auszutarieren, kommentiert die Neurologin Su Metcalfe von der britischen University of Cambridge [2]. Dem stehen allerdings noch Hindernisse entgegen: LIF zerfällt zum Beispiel zu schnell, um ins Blut gespritzt eine Wirkung erzielen zu können. Andere Wege – etwa den Transport von LIF in der Körper über eine Virusfähre – werden derzeit untersucht. Entscheidend für den Erfolg einer LIF-Therapie wäre aber auch, bei Betroffenen die bereits aus dem Ruder gelaufene Armada von TH17-Zellen zunächst zu zerstören. Erst dann könne sich, bei einem ausgewogenen Verhältnis von IL-6 und LIF, die gesunde Immunbalance neu und auf Dauer einpendeln, vermutet Metcalfe. (jo)
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