News: Nervenzellen auf großer Fahrt
Ein Frage, der Kresimir Letinic von der University of Zagreb und Pasko Rakic von der Yale University im Vergleich zwischen Mensch und Maus nachspürten. Da man dem Menschen bei seiner Gehirnentwicklung nicht unter die Schädeldecke schauen kann, entschieden sich die Forscher für den Vergleich entsprechender Nervenzellen in Zellkultur. Zum einen entnahmen sie Nervenzellen aus dem Bereich des so genannten Telencephalon – der Geburtsstätte des cerebralen Cortex – und konfrontierten sie mit Zellen aus dem Thalamus. Diese Region ist dafür bekannt, direkt neben dem Stirnhirn seinen Platz einzunehmen und im menschlichen Gehirn davon ziemlich viel zu beanspruchen. Eine mögliche Verbindung zwischen Größe des Thalamus und Stirnhirns schien somit nicht abwegig.
Und tatsächlich nimmt der Thalamus regen Einfluss auf die neugeborenen Nervenzellen. Von einem bislang unbekannten Lockstoff angezogen, machen sich menschliche Neurone aus dem Telencephalon auf einen weiten Weg und ziehen in einem großen Strom zum Stirnhirn. Diese Massenwanderung ist allerdings nur bei menschlichem Gewebe zu beobachten. Nervenzellen aus Mäusen reagieren weder angezogen noch abgestoßen auf Zellen ihres Thalamus. Hingegen lassen sie sich von Nervenzellen des Subthalamus – der auf halber Wegstrecke liegt – regelrecht zurückweisen. Hier gibt es für sie kein Durchkommen. Dieses abgeschreckte Verhalten zeigten menschliche Zellen wiederum nicht. Auf sie wirkte der Subthalamus überhaupt nicht, sondern ließ sie unbeeindruckt.
Mit ihren Experimenten konnten Letinic und Rakic zum ersten Mal zeigen, dass während der menschlichen Embryonalentwicklung die Nervenzellen auf große Wanderung gehen und sich hierbei den Ort neben dem Thalamus als Ziel aussuchen. Ob wir Menschen diesen Schritt in der Evolution ohne unsere nächsten Verwandten gemacht und uns damit den entscheidenden Vorteil eines riesigen Gehirns gesichert haben, müssen Untersuchungen an weiteren Tieren zeigen.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.