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News: Nerze lieben Schwimmen - auch in Gefangenschaft

Artgerechte Tierhaltung - vom Bauernhof bis zum Zoo - ist ein heiß diskutiertes Problem. Lässt sie sich überhaupt realisieren? Der Preis für das täglich bereitgestellte Futter ist meist ein immens verkleinerter Bewegungsraum, in dem außerdem wichtige Elemente der natürlichen Lebensumgebung fehlen. So schwimmen Nerze auch nach Generationen in Gefangenschaft immer noch leidenschaftlich gern, und ein Schwimmbecken im Gehege verringert offenbar ihre innere Frustration.
Wenn uns etwas nicht gefällt, können wir unseren Unmut äußern. Aber wie erfasst man den Gemütszustand eines Haus- oder Nutztieres? Sind sie wirklich zufrieden mit ihrem Dasein, wenn sie ständig etwas zu fressen haben, sich normal fortpflanzen und körperlich gesund sind? Oder können nicht auch sie unter innerer Frustation leiden, wenn ihnen bestimmte Möglichkeiten zum Spielen oder Bewegen fehlen, die in der freien Natur verfügbar sind – auch wenn sie selbst nur das Leben in Gefangenschaft kennen?

Georgia Mason von der Oxford University und ihre Kollegen sind diesen Fragen in Nerzfarmen nachgegangen. Deren Anlagen sind meist noch weit von so genannter artgerechter Tierhaltung entfernt. So steht den Tieren häufig nur ein Gehege von 90 mal 40 mal 30 Zentimetern zur Verfügung – obwohl sie in freier Wildbahn entlang von Flussläufen Reviere von mehreren Kilometern Länge mit mehreren Nestern einnehmen. Eingesperrt in diesen Käfig haben sie keine Chance, wie ihre freien Artgenossen mithilfe von Duftspuren zu jagen, unterirdische Höhlen zu erforschen sowie tauchend und schwimmend auf Beutefang zu gehen.

Und doch erfreuen sich die Tiere offenbar guter Gesundheit und pflanzen sich normal fort. Befürworter schließen daraus, dass sich Nerze nach vielen Generationen in Gefangenschaft einfach an dieses Leben angepasst haben – sonst müsste die Zahl der Nachkommen zurückgehen oder gesundheitliche Probleme auftreten. Kritiker halten diese rein biologischen Parameter aber für ungeeignet, um damit auf das wirkliche Wohlergehen der agilen Tiere zu schließen.

Darum erweiterten die Forscher das Freizeitangebot für acht Weibchen und acht Männchen. Sie boten den Tieren sieben weitere Räume an, die beispielsweise ein kleines Wasserbecken beziehungsweise eine durch eine Röhre zu erreichende Plattform enthielten. In den weiteren Gehegen warteten neue Spielobjekte, die täglich ausgetauscht wurden, eine Heukiste als zusätzliches Nest und ein Plastiktunnel. Allerdings mussten sich die Nerze schon bemühen, um an diese verlockenden Ablenkungen zu gelangen: Die Forscher versperrten die Zugänge mit Türen, deren Gewicht sie ständig vergrößerten. So konnten sie feststellen, wieviel Mühe die Tiere für das jeweilige Zerstreuungsobjekt investieren wollten.

Ganz klar vorn lag das Wasserbecken. Hier verbrachten die Nerze am meisten Zeit und waren auch bereit, sich dafür auch am stärksten anzustrengen. An zweiter Stelle rangierte die alternative Ruhekiste, während das leere Gehege auf die geringste Gegenliebe stieß.

Doch was davon war den Tieren wirklich wichtig? Um die Bedeutung der neuen Spielmöglichkeiten festzustellen, setzten die Forscher ihre Versuchsteilnehmer unter Druck: Sie versperrten ihnen zum einen abwechselnd die Zugänge zum Wasserbecken, zur Heukiste sowie zum leeren Käfig und kürzten ihnen auch zeitweise das Futter. Als zuverlässigen Anzeiger für die Reaktion maßen sie die Gehalte des Stresshormons Cortisol im Urin der Nerze.

Hunger und fehlender Badespaß zeigten dieselben Folgen: Die Cortisolgehalte stiegen um 50 beziehungsweise 34 Prozent. Dagegen hinterließ der Verlust der beiden anderen Angebote keinerlei Spuren.

Die Forscher schließen daraus, dass Nerze auch nach 70 Generationen in Gefangenschaft immer noch dieselben Vorlieben und Verhaltensweisen zeigen wie ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Insbesondere Schwimmen gehört offenbar zu den wichtigsten Zerstreuungsmöglichkeiten. Um innere Frustration der Nerze zu vermeiden, sollten Züchter also in Zukunft mindestens Wasserbecken in ihre Anlagen integrieren, meinen Mason und ihre Kollegen. Und es gibt sicher noch eine Reihe weiterer Verbesserungsvorschläge.

  • Quellen
Nature 410: 35–36 (2001)
Nature 410: 31–32 (2001)

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