Nanotechnologie: Elektrodennetz ins Hirn gespritzt
Flexible, elektronische Messgeräte können schon an gewölbte und unregelmäßige Strukturen wie menschliche Organe oder Zellen andocken: Sie kommen dann zum Beispiel bei der Diagnose und Therapie von Epilepsie zum Einsatz. Großes chirurgisches Können ist aber gefragt, um sie an die gewünschte Stelle im Körper zu bringen. Nichtinvasive, aber trotzdem zielsichere Implantationsmethoden fehlten allerdings – bis jetzt. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwickelte Charles Lieber von der Harvard University in Cambridge ein ultradünnes, elektronisches Netz: Zusammengefaltet gelangt es mit Hilfe einer Spritze in das Gehirn von Mäusen, wo es sich entfaltet und die Hirnaktivität misst.
Die Netzstruktur erlaubt dabei die notwendige dichte Packung in eine 0,1 Millimeter breite Spritzennadel und zudem das fehlerfrei Entfalten. Nach der Injektion erlangt das Netz in weniger als einer Stunde zirka 80 Prozent seiner ursprünglichen Form wieder und beschädigt dabei das umliegende Gewebe kaum. Tatsächlich wandern neuronale Vorläuferzellen der subventrikulären Zone sogar entlang des Netzes und lagerten sich dort an.
Zu Testzwecken maßen die Forscher zudem die Hirnaktivität der Mäuse mit insgesamt 16 über das Netz verteilten Platinelektroden. Über ein zusätzlich angebrachtes Kabel gelangten die erfassten Signale nach außen an die Messinstrumente – im nächsten Schritt möchten die Forscher dies auch kabellos probieren.
Lieber und seine Kollegen wollen das von ihnen konzipierte Netz auch als Wachstumsgrundlage für Neurone und somit zur Züchtung von Geweben einsetzen. Injizierten sie das Netz zusammen mit embryonalen Nervenzellen von Ratten in ein spezielles Gel, entstand innerhalb von 14 Tagen ein neuronales Netzwerk, dessen Zellfortsätze das Elektrodennetz durchdrangen.
Durch seine Flexibilität und Biokompatibilität sind auch andere Anwendungen der Technik denkbar, zum Beispiel zur Messung von Arrhythmien des Herzens oder in Form einer Neuroprothese im Rückenmark. Laut Lieber könnte die Möglichkeit, eine spezifische Stelle über längere Zeit zu messen, einen "großen Einfluss auf die Neurowissenschaft haben". Zunächst aber sei gelungen, einen der größten Nachteile bisheriger Implantate, nämlich Entzündungen, zu vermeiden. "Mit unseren injizierbaren Elektrodennetzen", so Lieber, "ist es so, als wären sie gar nicht da".
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