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News: Netzhautflicker

Als therapeutisch vielversprechend galten adulte Stammzellen seit längerem. Nun scheinen die kommenden Heilsbringer solche Versprechen auch einzulösen - in den Augen blinder Mäuse.
Wenn das Augenlicht älterer Menschen erlischt, ist der Grund sehr oft in fehlgebildeten Blutgefäßen des Auges zu suchen: Blutversorgung und Aufbau der Netzhaut werden beeinträchtigt, bis der optische Apparat seine Aufgaben schließlich nicht mehr erfüllen kann. Unter ähnlich fehlgeleiteten Netzhautgefäßen leiden auch langjährige Diabetiker mit zunehmender Dauer ihrer Krankheit. Diabetes und altersbedingte Netzhautdegeneration aufgrund von Gefäßfehlbildungen sind die häufigsten Ursachen einer Erblindung.

Forscher wie Martin Friedlander vom Scripps Research Insitute untersuchen die zellulären Grundlagen der so genannten Angiogenese oder Gefäßbildung im Auge bereits seit längerem. Zuletzt beschrieben er und sein Kollege Paul Schimmel einen Protein-Hemmstoff, der die Angiogenese wirksam hemmen kann.

Dies war nur ein Schritt auf dem Weg zu einer möglichen Therapie: Schließlich muss ein solcher Wirkstoff gezielt eingesetzt werden, um nicht generell jegliche Gefäßbildung, sondern einzig die fehlgeleiteter Gefäße zu unterdrücken – solcher also, die aus ihrem angestammten Platz herauswuchern und Netzhautdegenerationen zur Folge haben können.

Nun sind die Forscher auf ihrer Suche nach einem zielgenauen Hemmstofftransporter offenbar fündig geworden. Von Nutzen waren ihnen dabei zunächst neue Erkenntnisse, die sie an einem Stamm augenkranker Mäuse gesammelt hatten: Die Netzhautgefäße dieser Mausstammangehörigen sind üblicherweise schon einen Monat nach der Geburt völlig degeneriert.

Als die Forscher in die Netzhaut junger Mäuse adulte Stammzellen aus dem Knochenmark injizierten, stellten sie fest, dass die Zellen sich offenbar mühelos in das komplexe Netzwerk der arbeitenden Blutgefäß-Baustelle integrieren konnten. Als Begleiterscheinung bremsten die Stammzellen die bei den mutierten Mäusen übliche Gefäß-Degeneration deutlich.

Die verwendeten adulten Stammzellen stammten ursprünglich aus einer blutzellbildenden Stammzelllinie des Knochenmarks – enthalten sind darin so genannte endotheliale Vorläuferzellen, die auch zu Blutgefäßen umgewandelt werden können. Einmal in der Netzhaut, steuerte dieser Zelltyp im Implantations-Experiment zielsicher auf Astrozyten zu, sternförmige Zellen, die Maus und Mensch üblicherweise als Baustellen-Wegweiser in der Netzhaut dienen und ankommende Endothelzellen an den Ort neuzubildender Blutgefäße dirigieren.

Friedlander und sein Team kombinierten nun ihr frisch erworbenes Wissen um die Integrationsfähigkeit adulter Stammzellen und die schon zuvor gewonnene Kenntnis eines potenten Hemmstoffes der Angiogenese: Sie schleusten die Fähigkeit zur Produktion des Angiogenese-Hemmers auf gentechnischem Wege in die adulten Stammzellen ein. Werden die solcherart ausgestatteten Stammzellen nun von Astrozyten der Mäusenetzhaut an die Bildungsstätte neuer Blutgefäße geleitet, dann exprimierten sie dort den Hemmstoff – und stoppten damit jegliche Blutgefäßbildung.

Ein hoffnungsvoller neuer Therapieansatz, um die alters- und diabetesbedingten Gefäßwucherungen im Auge des Menschen bekämpfen zu können. "Adulte Stammzellen können nicht nur degenerierende Gewebezellen des Auges wiederherstellen, sondern auch mit Hemmstoffen beladen werden und zielgenau die Bildung neuer Blutgefäße unterbinden", erklärt Friedman.

Wie oft, bleibt bis zur tatsächlichen Anwendung beim Menschen noch eine Menge Forschungsbedarf. So warnt Karl Csaky vom National Eye Institute vor allzu blindem Vorgehen: Die Gefahr, dass verirrte, hemmstoffbeladene Stammzellen in Gehirn, Herz und Eingeweiden die Gefäßbildung verhindern, müsse zunächst sicher ausgeräumt werden.

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