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News: Neu entdecktes Signal für 'satt'

Neurowissenschaftler haben im Gehirn einen neuartigen Neurotransmitter entdeckt, der an der Regulierung der Nahrungsaufnahme beteiligt ist und teilweise für das Sättigungsgefühl verantwortlich zu sein scheint.
Der neuartige Neurotransmitter, das CART-Peptid (ein Akronym für Cocain and Amphetamine Regulated Transcript) wurde von einem Forscherteam des Yerkes Primate Research Center der Emory University entdeckt. Welche Rolle er bei der Ernährung spielt, wurde in Studien zur Auswirkung von Kokain auf das Gehirn gefunden. Der Neurowissenschaftler Pastor Couceyro war einer der ersten, der in Versuchen an Nagetieren feststellte, daß die Konzentration der CART-mRNA bei Verabreichung von Kokain in einem bestimmten Bereich des Gehirns zunimmt.

"Wir untersuchten das CART-Peptid, um festzustellen, ob es aus zwei Gründen für Appetitverlust verantwortlich sein könnte", sagt Mike Kuhar, Chef der neurowissenschaftlichen Abteilung am Yerkes Center. "Zum einen ist CART assoziiert mit Kokain, welches die Nahrungsaufnahme reduziert. Weiterhin findet man das CART-Peptid auch in Bereichen des Gehirns, die die Nahrungsaufnahme steuern."

Injizierte das Forscherteam die CART-Peptide in die Gehirne normaler Ratten, verminderte sich deren Nahrungsaufnahme um bis zu 30 Prozent. In normalen Ratten läßt sich im Hypothalamus eine hohe Konzentrationen von CART finden. "Das heißt, daß CART offensichtlich an einer Vielzahl physiologischer Prozesse beteiligt ist, nicht nur an der Kokainabhängigkeit", sagt Lambert, der für die Verhaltensaspekte der Arbeit verantwortlich war.

Im folgenden versuchte Lambert die natürlich vorkommenden CART-Peptide des Gehirns durch Injektion von Antikörpern (die an die CART-Peptide binden und sie funktionsunfähig machen) zu blockieren. Als Ergebnis stieg die Nahrungsaufnahme der Ratten. "Aufgrund dieser Daten der Antikörper-Studie glauben wir, daß CART zumindest teilweise dafür verantwortlich ist, daß wir uns satt fühlen, egal, ob nach dem Essen oder vielleicht nach dem Kokaingenuß", erklärt Lambert.

Einen weiteren Hinweis auf die wichtige Rolle des Peptids bei der Regulierung des Appetits sieht Lambert in seiner Beobachtung, daß CART mit dem Neuropeptid Y (NPY) anatomisch und funktionell interagiert. Neuropeptid Y ist ein Neurotransmitter, der seit Jahren als starkes Hungerstimulans bekannt ist.

Als nächstes wollen die Forscher die Struktur der CART-Peptide entschlüsseln und ihre Rolle bei der langfristigen Regulierung des Körpergewichts von Tieren ergründen. Ihre Untersuchungen könnten vielen Menschen helfen, die an Fettleibigkeit, Bulimie und Anorexia nervosa leiden. Die Tatsache, daß CART ein Neurotransmitter zu sein scheint, ist wichtig, weil Neurotransmitter per Definition mit der Steuerung normaler physiologischer Prozesse in Beziehung stehen und für Behandlungszwecke leicht beeinflußt werden können.

Die Wissenschaftler warnen jedoch, daß CART nur einen Teil des komplexen Ernährungssystems darstellt. Es gibt viele Substanzen im Gehirn, die die Nahrungsaufnahme regulieren – fällt eine aus, lernt das Gehirn schließlich diesen Verlust zu kompensieren. "Essen ist für das Überleben einfach zu wichtig, als daß nur ein Weg dafür verantwortlich sein könnte", bemerkt Lambert.

Die CART-Studien, die im Magazin Synapse (Vol 29, Nr. 4) beschrieben werden zeigen, daß die Familie der CART-Peptide nicht nur für die Aspekte der Fettleibigkeit wichtig sind. Kuhar und seine Kollegen glauben, daß sie auch neue Erkenntnisse zu Suchtmechanismen liefern kann. Möglicherweise sind Störungen sogar durch Streß verursacht, weil die Peptide auch in Bereichen des Gehirns angesiedelt sind, die an Streß beteiligt sind.

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