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Messfehler: Neue Art von Unsicherheit in der Physik entdeckt

In der Realität kann man niemals alles ganz genau wissen: Messwerte sind immer ungenau. Bisher kannte man zwei Effekte, die fundamentale Unsicherheit erzeugen. Nun kommt ein dritter hinzu.
Linien laufen um eine Kurve.
Wie sich ein System im Lauf der Zeit entwickelt, ist prinzipiell unsicher.

Physikalische Gleichungen setzen gemeinhin exakte Werte für physikalische Parameter voraus: Temperatur, Druck oder Geschwindigkeit werden durch einen festen Wert dargestellt. Doch in der Wirklichkeit kann man die Zahlen nicht beliebig genau bestimmen. Messinstrumente erzeugen kleine Unsicherheiten, ebenso wie zufällige Schwankungen von Punkt zu Punkt oder im Lauf der Zeit. Zu diesen klassischen Ungenauigkeiten kommt nun eine dritte Art von Unsicherheit, die Jan Korbel und David H. Wolpert vom Complexity Science Hub Vienna nun in der Fachzeitschrift »Physical Review Research« beschrieben haben. Wie die beiden Forscher berichten, sind auch die Werte, die die Entwicklung eines physikalischen Systems bestimmen, nicht beliebig genau bestimmbar. Im Gegensatz zu den bekannten Fehlerquellen sei noch völlig unklar, wie man diese Art von Fehler in den mathematischen Verfahren berücksichtigt, schreiben sie.

Wenn man ein reales physikalisches Experiment mathematisch beschreibt, berücksichtigt man bisher zwei Arten von Fehlern. Zum einen kennt man den Zustand des Systems nicht präzise. Deswegen ersetzt man die präzisen Messwerte durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung. Zum anderen beschreibt man die Wechselwirkungen mit der Außenwelt als einen Zufallsprozess. Die nun beschriebene neue Art der Unsicherheit betrifft die Entwicklung des Systems im Lauf der Zeit. Man beschreibt sie durch eine so genannte Übergangsmatrix – eine Gruppe von Werten, die angibt, wie das System von einem Zustand in den nächsten übergeht. Diese Werte allerdings, argumentieren Korbel und Wolpert, seien ebenso wenig beliebig genau bekannt. Das heißt, die Übergangsmatrix selbst und wie schnell diese Übergänge ablaufen, sind ebenfalls mit einer eingebauten Unsicherheit behaftet.

Diese zusätzliche Unsicherheit über die Dynamik eines physikalischen Systems habe reale Konsequenzen, berichten Korbel und Wolpert. In einer Pressemitteilung des Instituts nennen sie das Beispiel der optischen Pinzette. Dabei halten Laserstrahlen kleine Objekte in der Schwebe. Um die Laser optimal einzustellen, misst man wiederholt den Zustand des Systems, kleine Schwankungen betrachtet man dabei als Ergebnis der Messungenauigkeit. Die Schwankungen können jedoch, so die Forscher, auch das Ergebnis der unbekannten Dynamik des Systems sein – und diese Unsicherheit führe dazu, dass die optimale Einstellung der Laser schwieriger werde. Thermodynamisch gesprochen sei sie eine zusätzliche Quelle von Entropie, und damit führe sie dazu, dass man für bestimmte Prozesse mehr Energie aufwenden muss als bisher theoretisch berechnet.

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