Kosmologie : Abertausende neue Galaxien mit dem Weltraumteleskop Euclid entdeckt

Der 19. März 2025 steht schon lange dick markiert im Kalender. Für diesen Tag hatte die Europäische Weltraumorganisation ESA angekündigt, dass die Ergebnisse einer ersten Himmelsdurchmusterung mit dem europäischen Weltraumteleskop Euclid veröffentlicht werden. Drei Bereiche am Himmel wurden beobachtet und liefern eine erste Klassifikation von 380 000 Galaxien sowie 500 Kandidaten für Gravitationslinsen. Diese Messdaten sind wichtig, um das eigentliche Missionsziel zu erfüllen, nämlich zu verstehen, woraus unser Universum besteht und wie es sich entwickelt. Die groß angelegte Beobachtungskampagne mit Euclid wird in den kommenden Jahren fortgesetzt. Erste handfeste Resultate für die Kosmologie dürfen wir für Herbst 2026 erwarten, wenn der erste Katalog der von Euclid beobachteten Teile des Firmaments erscheint.
Das europäische Weltraumteleskop Euclid umkreist den 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernten Lagrange-Punkt L2, wo sich auch das James-Webb-Teleskop befindet. Von dort aus kann im Verlauf eines Jahres im Prinzip der komplette Himmel beobachtet werden, also Nord- und Südhimmel. Tatsächlich muss man Bereiche ausklammern, wo sich die Milchstraße mit ihren Sternen und Nebeln und unser Sonnensystem mit seinem Staub und Kleinkörpern abzeichnen, so dass am Ende von Euclids Mission ein Drittel des Himmels durchforstet sein wird. Euclid kartiert und klassifiziert dabei viele astronomische Objekte, vor allem jedoch Galaxien. Spektroskopisch lassen sich ihre Distanzen ermitteln, so dass Euclid Ausschnitte einer riesigen 3-D-Karte des Universums aufnimmt.
Enträtseln des dunklen Kosmos
Euclid wird vor allem dafür eingesetzt, Galaxien zu beobachten. Diese versammeln sich zu Hunderten in Galaxienhaufen, von denen es wieder Tausende gibt. Dabei folgen die sichtbaren Galaxien und Galaxienhaufen der unsichtbaren Dunklen Materie. Diese Materieform ist eine wesentliche Zutat im Standardmodell der Kosmologie, die zum Ausbilden großräumiger kosmischer Strukturen führt. Die zweite wesentliche Komponente ist die Dunkle Energie. Ihre Wirkung ist antigravitativ, wirkt also der Schwerkraft entgegen. Sie wird dafür verantwortlich gemacht, dass das Universum beschleunigt expandiert. Ziel ist es, mit Euclid die Natur der Dunklen Materie und der Dunklen Energie zu entschlüsseln.

Erste Muskelspiele
Bei den im März 2025 veröffentlichten Daten handelt es sich um einen »quick release«, also eine erste Demonstration von Euclids Fähigkeiten. Mit dem Weltraumteleskop wurden drei Himmelsareale angepeilt, die zusammengenommen eine Fläche von 63 Quadratgrad abdecken (siehe »Himmelskarte mit drei Zielgebieten«). Das ist ungefähr 300-mal so groß wie der Vollmond. Das Besondere an den drei Gebieten ist, das sie von Euclid mehrfach für längere Zeit ins Visier genommen werden. In der Astronomie spricht man von Tiefenfeldbeobachtungen (englisch: deep fields). Durch die längere Belichtungszeit schaut man tiefer in den Kosmos und lernt so mehr über dessen räumliche Struktur. Dabei wird das Teleskop auch auf noch weiter entfernte Himmelsobjekte stoßen, zum Beispiel Quasare, deren enorme Leuchtkräfte durch ein Materie verschlingendes, extrem massereiches Schwarzes Loch angetrieben werden.
Euclids erster Datenschatz
Insgesamt betrug die Beobachtungszeit für die erste Durchmusterung eine Woche und führte zu rund 26 Millionen entdeckten Galaxien, die bis zu 10,5 Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Von ihnen wurden 380 000 Exemplare klassifiziert sowie 500 Kandidaten für Gravitationslinsen gefunden. Fast alle Gravitationslinsen waren zuvor völlig unbekannt.
Niemand Geringerer als Albert Einstein sagte vor mehr als 100 Jahren Gravitationslinsen voraus. Bei diesen kosmischen Kuriositäten wird das ausgesandte Licht ferner Galaxien von kompakten Massenansammlungen im Vordergrund – zum Beispiel einer anderen Galaxie – abgelenkt. Bei diesem Gravitationslinseneffekt wird das Bild der fernen Galaxie verzerrt oder es werden Mehrfachbilder derselben Hintergrundgalaxie erzeugt oder sogar Lichtringe (siehe »Gravitationslinsen und Einsteinringe«). Erst im Februar 2025 wurde die Entdeckung eines Einsteinrings mit Euclid bekannt gegeben.

Täglich funkt das Weltraumteleskop ungefähr 100 Gigabyte zur Erde. Die Analyse dieser enormen Datenmengen gelingt nur mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). So können Galaxien anhand charakteristischer Merkmale wie beispielsweise erkennbaren Spiralarmen oder einem zentralen Balken voll automatisiert und in kürzester Zeit klassifiziert werden (siehe »Galaxien in allerlei Formen «). Der KI-Algorithmus Zoobot, den die ESA bei den Euclid-Daten einsetzt, wurde zuvor von fast 10 000 menschlichen Bürgerwissenschaftlern trainiert.

Doch das ist erst ein Vorgeschmack: Der Quick Release ist eine Vorschau auf Euclids großen Himmelskatalog, der am Ende ein Drittel des gesamten Himmels, 14 000 Quadratgrad, und immense Datenmengen von Himmelsobjekten umfassen soll.
Status und Ausblick
Das Weltraumteleskop Euclid besitzt einen Spiegel mit 1,2 Meter Durchmesser. Er ist halb so groß wie derjenige des Hubble-Teleskops. Euclid ist ausgestattet mit einer optischen Kamera namens VIS mit 600 Megapixeln und dem Nahinfrarotinstrument NISP mit 65 Megapixeln. Beide ergänzen sich in idealer Weise. Mit VIS werden gestochen scharfe Aufnahmen gemacht. NISP liefert Spektren und unter anderem die so wichtige kosmologische Rotverschiebung, aus der die Distanz der Objekte folgt.
Die ESA-Mission wurde im Juli 2023 erfolgreich gestartet und sorgte noch im gleichen Jahr mit ersten Aufnahmen für Furore. Im Mai 2024 folgten weitere spektakuläre Euclid-Bilder. Im Oktober 2024 veröffentliche die ESA eine Euclid-Karte von einem kleinen Streifen am Südhimmel.
Für Oktober 2026 ist die nächste große Veröffentlichung von Euclid-Daten geplant. Man rechnet dann mit 7000 Galaxie-Galaxie-Gravitationslinsen. Die reguläre Laufzeit der Mission endet im Jahr 2030. Bis dahin sollen 1,5 Milliarden Galaxien mit Euclid aufgenommen worden sein. Erwartet werden dann 100 000 Galaxie-Galaxie-Gravitationslinsen. Damit ist die Statistik gut genug, um auf kosmologische Parameter wie beispielsweise den Anteil Dunkler Materie oder die Hubble-Konstante schließen zu können. Sie bestimmen Entwicklung und Ende des Universums. Mit Euclid sollen sie noch genauer ermittelt werden.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.