Stradivari und Co: Neue Geigen sind so gut wie alt
Erinnern Sie sich noch an die Fernsehwerbung, bei der Passanten koffeinhaltige Limonadengetränke zu kosten bekamen, und am Ende schmeckte die lahme Pepsi fast sogar noch besser als Coca-Cola? Ähnliches haben Musikexperten jetzt mit hochpreisigen Geigen durchgeführt. Und herauskam: (Gute) neue Geigen klingen genauso gut wie die der alten Meister Stradivari und Guarneri – und fast noch ein bisschen besser.
Claudia Fritz von der Sorbonne und sechs weitere Experten diverser anderer Einrichtungen stellten dazu zehn bekannte, aber ungenannte Violinsolisten vor eine alltagsnah gestaltete Aufgabe: Aus zwölf Geigen sollten sie eine auswählen, die sie auf eine fiktive Konzerttournee mitnehmen wollen würden.
Sechs neue versus sechs alte Geigen
Was diese nicht wussten (aber wahrscheinlich ahnten), war, dass sechs der Geigen neueren Baujahrs waren, die anderen sechs hingegen aus dem goldenen Zeitalter des italienischen Geigenbaus stammten. Die zehn Musiker durften mit abgedunkelter Schweißerbrille im Schummerlicht alle Instrumente ausgiebig anspielen, zu wichtigen Kriterien mussten sie eine Bewertung abgeben. Und auch raten, unter welcher Kategorie sie die Geige einordnen würden. Am Ende schnitt ein neues Instrument über alles gerechnet am besten ab, sowohl in puncto Spielbarkeit als auch Klang. Bei der Frage, ob alt oder neu, hätten die Teilnehmer auch gleich eine Münze werfen können, so oft lagen sie daneben.
Jetzt ist es natürlich schon ein bisschen schade, dass sich der Nimbus der alten Meister offenbar vor allem aus der Einbildungskraft speist. Aber das Ergebnis bietet immerhin eine schöne Gelegenheit, sich ein bisschen über all die lustig zu machen, die allerlei mysteriöse Substanzen für den Stradivariklang verantwortlich machten. Waren die Geigenbauer Alchimisten? Nutzen sie bei Neumond gefälltes Holz? Nein, sie waren anscheinend nur ausgezeichnete Handwerker.
Alles richtig gemacht?
Diese Untersuchung ist nicht die erste ihrer Art. Schon früher wurden Stradivaris gegen neue Geigen ausgespielt, teils sollten Zuhörer ein Urteil abgeben, teils die Musiker selbst. Das Ergebnis war immer das Gleiche. Aber: Alte Mythen sterben langsam, und Kritiker nahmen Anstoß an den Testbedingungen – "Man testet ja auch keinen Ferrari auf dem Parkplatz", sollen einige gesagt haben. Jetzt aber wollen die sieben Experten alles unanfechtbar gemacht haben: Gespielt wurde im großen Konzertsaal, im kleinen Proberaum, mit Begleitung, ohne Begleitung und so weiter. Und deswegen könne jetzt endlich auch mal Ruhe im Karton sein: "Die fortgesetzte Behauptung", fassen sie zusammen, "dass die alten italienischen Geigen einzigartige Spieleigenschaften hätten, bedarf dringendst einer empirischen Untermauerung."
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