Bildgebende Verfahren: Neue Hirnscan-Methode misst in Echtzeit
Die Entwicklung der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT) in den 1990er Jahren war ein Meilenstein der Hirnforschung. Endlich war es möglich, nichtinvasiv und mit hoher räumlicher Auflösung Einblick in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns zu gewinnen. fMRT-Verfahren messen neuronale Aktivität meist über den resultierenden lokalen Blutfluss zum Gehirn. Dieser so genannte neurovaskuläre Effekt bildet Hirnaktivität also nur indirekt ab und setzt mit einer Zeitverzögerung von einigen Sekunden ein. Sich schnell verändernde Prozesse im Bereich von 10 bis 100 Millisekunden lassen sich mit dieser geringen zeitlichen Auflösung daher nicht abbilden.
Ein internationales Forscherteam um Samuel Patz vom Brigham and Women's Hospital in Boston hat nun eine MRT-Technik entwickelt, die Hirnprozesse im Millisekundenbereich abbilden kann. Wie die Wissenschaftler in »Science Advances« schildern, dient als Maß der neuronalen Aktivität nicht der Blutfluss, sondern ein anderer, längst bekannter Mechanismus: Die biomechanischen Eigenschaften von Neuronen ändern sich in Abhängigkeit von ihrer Aktivität – und das innerhalb von Millisekunden: Die Axone schwellen an, die Dendriten ziehen sich zusammen, und das führt zu Veränderungen ihrer Steifigkeit.
Diesen Effekt nutzen Patz und Kollegen nun für das neue Verfahren. Es basiert auf der klassischen Magnetresonanz-Elastografie (MRE), die Mediziner bereits seit Jahren einsetzen, um krankheitsbedingte Gewebesteifigkeit zu erkennen. Das zentrale Prinzip: Wenn Schallwellen auf Gewebe treffen, verschiebt es sich abhängig von seiner Steifigkeit. Ein üblicher MR-Scanner misst diese Verschiebungen, und ein Computer berechnet daraus die Gewebesteifigkeit.
Die Wissenschaftler wollten nun herausfinden, ob sich mittels Magnetresonanz-Elastografie auch schnelle Steifigkeitsveränderungen im Hirngewebe messen lassen. Hierzu sedierten sie Labormäuse, fixierten sie in einer maßgeschneiderten Apparatur und stimulierten per Injektionsnadel einen der beiden Hinterläufe mit elektrischen Impulsen wechselnder Frequenz. Auf diese Weise wollten Patz und sein Team Hirnareale aktivieren, die Schmerzreize verarbeiten. Gleichzeitig leiteten die Forscher Schallwellen durch das Mäusehirn. Eine kleine MR-Spule von zwei Zentimetern Durchmesser erfasste die resultierende Verschiebung. Die Stromimpulse wechselten bei höchster Frequenzstufe innerhalb von 100 Millisekunden zwischen On- und Off-Zustand. Dank technischer Neuerungen war es den Forschern möglich, die biomechanischen Veränderungen im Hirngewebe auch unter derart schnellen Impulswechseln zu erfassen und zu visualisieren.
Es zeigte sich, dass die Frequenz der Stromimpulse unter anderem den Ort der Steifigkeitsveränderungen beeinflusste: Bei niedriger und mittlerer Impulsfrequenz befanden sich diese vor allem im Bereich des schmerzverarbeitenden zingulären Kortex, bei höchster Frequenz reagierte nur der Thalamus. Das Gewebe war steifer in der Off-Phase, das heißt, wenn der Impuls pausierte. Die Steifigkeit variierte um 5 bis 15 Prozent – sowohl bei 0,1 Hertz als auch bei 10 Hertz. Laut den Forschern deutet dies darauf hin, dass der zu Grunde liegende Mechanismus schnell ist und quasi verlustfrei abläuft. Das wollen sie in weiterführenden Studien ergründen.
Die Erkenntnisse sind Patz und Kollegen zufolge auf den Menschen übertragbar. Die präklinische Studie an Labormäusen weist bereits auf einen fundamentalen Vorteil der funktionellen Elastografie hin: Sie basiert auf einem Effekt, der enger mit der eigentlichen neuronalen Aktivität gekoppelt ist als die träge Zunahme des Blutflusses, die der fMRT zu Grunde liegt. So ließen sich Hirnfunktionen im Scanner direkter messen als je zuvor.
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