Meeressäuger: Der unbekannte, neue Rabenwal aus dem Pazifik
Vor wenigen Jahren wurde der Kadaver eines seltsam aussehenden Schnabelwals an die Küste der Aleuteninsel St. George gespült. Die Bewohner dachten bei dem Anblick zuerst an einen Baird's-Schnabelwal (Berardius bairdii), doch das Tier war kleiner und leichter als Vertreter dieser Art – und sah auch etwas anders aus. Das weckte das Interesse von Philip Morin vom NOAA Fisheries’ Southwest Fisheries Science Center und seinen Kollegen, die in der Folge von 178 toten Museumsexemplaren des Baird's-Schnabelwals DNA-Proben nahmen und miteinander verglichen. Mit einem für sie überraschenden Ergebnis: Bei acht der Tiere erbrachte die Genanalyse deutliche Abweichungen vom Baird's-Schnabelwal. Sie waren sogar deutlich näher mit einer zweiten Schnabelwalart verwandt, dem Arnoux’s-Schnabelwal (Berardius arnuxii) aus der Antarktis, von dem sie deutlich räumlich getrennt vorkommen. Unter den Exemplaren der neuen Meeressäugerspezies befindet sich sogar ein Skelett, das in einer Schule in Alaska ausgestellt ist.
Auch wenn die Art noch keinen wissenschaftlichen Namen trägt: Völlig unbekannt ist sie Menschen nicht. "Japanische Walfänger kannten diese schwarze Form schon länger, betrachteten sie aber nicht als eigenständige Art, sondern als kleine Exemplare der Baird's Schnabelwale", so Erich Hoyt, einer der Koautoren und Meeresbiologe der Organisation Whale and Dolphin Conservation. Sie bezeichneten die Tiere als "karasu", was übersetzt Rabe bedeutet. Die rund sieben Meter langen und mehrere Tonnen schweren Wale leben wahrscheinlich im nördlichen Pazifik zwischen Japan und den Aleuten, was in etwa dem Verbreitungsgebiet ihrer größeren Verwandtschaft entspricht. Sie sind aber wohl deutlich seltener als diese, denn selbst Walfänger sichten sie nur unregelmäßig, und sie werden nur sehr gelegentlich an Land getrieben.
Schnabelwale gehören jedoch zu den geheimnisvollsten Walen überhaupt, über ihre Biologie ist nur wenig bekannt. Von den 19 bislang bekannten Schnabelwalspezies wurden einige erst in jüngerer Vergangenheit wissenschaftlich beschrieben. Ähnlich wie Delfine besitzen sie eine spitze Schnauze, mit der sie in der Tiefsee nach Kraken und Fischen jagen. Kein anderes bekanntes Säugetier taucht ähnlich tief wie Schnabelwale, der Cuvier-Schnabelwal (Ziphius cavirostris) konnte in knapp 3000 Meter Tiefe nachgewiesen werden, wobei Tauchgänge bis zu zwei Stunden anhalten können.
Zu den seltenen Sichtungen trägt womöglich bei, dass der "Raben-Schnabelwal" zumindest saisonal wandert. Bissspuren auf dem 2014 auf St. George angeschwemmten Kadaver lassen sich auf tropische Haiarten zurückführen. Unklar ist, ob ihr Bestand gefährdet ist und falls ja, wodurch. Andere Schnabelwalarten strandeten in der Vergangenheit massenhaft nach militärischen Sonarübungen. Auch die Verschmutzung der Meere durch Kunststoffe trägt eventuell einen Teil bei, da die Tiere sie für Beute halten und daran verenden. Tote Schnabelwale wiesen zudem immer wieder hohe Belastungen mit Umweltgiften wie PCB oder Quecksilber auf, weil sie diese als Spitzenräuber in ihrem Körper anreichern.
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