Infektionskrankheiten: Neue Strategie gegen den Malaria-Erreger
Neue Medikamente gegen Malaria sind extrem schwer zu entwickeln, denn es fehlt schlicht an Angriffszielen für Wirkstoffe – von den über 5000 Proteinen, die im Genom des Erregers Plasmodium falciparum kodiert sind, kennt man nur in den seltensten Fällen die Funktion. Forscher um den Chemie-Nobelpreisträger Sid Altman haben jedoch eine neue Strategie entwickelt, mit der sie nicht nur die Funktionen all dieser Proteine systematisch erforschen können, sondern die auch direkt gegen den Malariaerreger in roten Blutzellen wirkt. Sie verwendeten dazu ein stabiles RNA-Imitat, das die Entstehung des lebensnotwendigen Proteins Gyrase A unterbindet, und koppelten es an ein Peptid aus menschlichen Immunzellen, das sehr effektiv Zellmembranen durchdringt. Auf diese Weise hinderten sie in ihren Versuchen den Parasiten daran, sich zu entwickeln und zu vermehren.
Die Gene von P. falciparum lassen sich weder über Promoter kontrollieren noch ist ihre Übersetzung anfällig für RNA-Interferenz. Deswegen greift die klassische molekularbiologische Methode, die Funktion bestimmter Gene auszuschalten und so zu erforschen, bei dem Parasiten nicht. Das Team um Altman verwendet deswegen ein Verfahren, das der RNA-Interferenz im Prinzip ähnelt, aber eine andere molekulare Maschinerie nutzt. Sie koppelten eine spezifische Sequenz eines chemisch eng mit RNA verwandten Morpholino-Oligonukleotids an das Eiweiß CPP (cell penetrating protein), das diesem Komplex erlaubt, Zellmembranen zu durchdringen. Im Inneren des Parasiten angekommen, bindet das RNA-Imitat an eine mRNA mit komplementärer Sequenz und bringt das Enzym Ribonuklease P dazu, den Komplex abzubauen, so dass das angepeilte Protein nicht mehr gebildet wird.
Das Zielprotein ist in diesem Fall die Gyrase A, ohne die eine Zelle ihr Erbgut nicht mehr verdoppeln kann. Wie die Wissenschaftler zeigten, zerstört der Wirkstoff im Versuch mit infizierten Blutzellen nicht nur den größten Teil der mRNA des Gyrase-A-Gens, sondern unterband wirkungsvoll die Vermehrung des Erregers: Während sich die Parasitenlast in unbehandelten Proben von plasmodiuminfizierten roten Blutzellen binnen 48 Stunden mehr als verfünffachte, blieb sie in der mit dem Wirkstoff behandelten Probe gleich – und die meisten Parasiten schafften es nicht einmal in die nächste Stufe ihres Lebenszyklus. Das gilt sowohl für gewöhnliche Malariaerreger als auch für solche, die gegen andere Medikamente bereits resistent geworden sind.
Die Wissenschaftler sind optimistisch, dass ihre Untersuchungen in wenigen Jahren zu einem wirksamen Medikament gegen Malaria führen – sie verweisen darauf, dass ein vergleichbares Konstrukt bereits gegen Muskeldystrophie eingesetzt wird und dass umfangreiche Tierversuche mit diversen Morpholino-Oligonukleotiden stattfinden. Langfristig bedeutender allerdings erscheint die Möglichkeit, mit derartigen Wirkstoffen gezielt Gene des Erregers auszuschalten und so ihre Funktion zu entschlüsseln. Bewährt sich die Methode, hätte die Forschung erstmals ein Werkzeug an der Hand, mit dem sie das Genom des Parasiten systematisch erforschen kann.
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