Covid-19 : Neue Variante von Sars-CoV-2 kam im Sommer aus Spanien
Wie andere Viren entwickelt sich auch Sars-CoV-2 stetig weiter. Auf der ganzen Welt haben Wissenschaftler inzwischen tausende Mutationen im Erbgut des Erregers aufgespürt, hunderte verschiedene Varianten des Virus grassieren allein in Europa. Manche davon haben sich in den vergangenen Monaten besonders stark ausgebreitet. Dazu zählt auch die Variante 20A.EU1: Sie entstand vermutlich erstmals in Spanien und gelangte von dort aus über Touristen in zahlreiche andere europäische Länder. Das berichten Wissenschaftler um Emma Hodcroft von der Universität Basel nun in einer vorab veröffentlichten Studie. Die Begutachtung der Arbeit durch andere Fachleute steht allerdings noch aus.
Die Forschungsgruppe analysierte Virusgenomsequenzen von Covid-19-Patienten aus ganz Europa, um die Verbreitung der neuen Variante nachvollziehen zu können. Den Daten des Teams zufolge trat 20A.EU1 erstmals im Sommer im Nordosten Spaniens bei Landarbeitern auf. Von dort aus gelangte die Virusvariante in die breite Bevölkerung und nach Aufhebung der Reisebeschränkungen im Juli offenbar auch in andere Teile Europas und der Welt.
Heute mache 20A.EU1 fast 80 Prozent der Virussequenzen in Spanien aus, heißt es in der Pressemitteilung der Universität. Zudem habe man die Variante zeitlich versetzt bislang in zwölf weiteren europäischen Ländern sowie in Hongkong und Neuseeland nachweisen können. Im Vereinigten Königreich ist 20A.EU1 inzwischen sogar noch prävalenter als in Spanien selbst: Rund 90 Prozent der Virussequenzen dort entsprechen der neuen Variante. In Irland sind es 60 Prozent, in der Schweiz und den Niederlanden 30 bis 40 Prozent. Aber auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Norwegen und Schweden kommt sie vor.
20A.EU1 zeichnet sich durch Veränderungen der Aminosäuresequenzen in den Spike-, Nukleokapsid- und ORF14-Proteinen des Virus aus. Das Spike-Protein hilft dem Virus dabei, in Zellen einzudringen. Ob die betreffenden Mutationen an dieser Fähigkeit etwas ändern – das Virus also beispielsweise infektiöser machen –, ist allerdings unklar. Auf Grund der starken Ausbreitung von 20A.EU1 könnte man leicht denken, dass dies der Fall sei. Doch festzustellen, warum sich eine Virusvariante schneller und leichter ausbreitet als andere, ist schwierig. Denn auch andere Mechanismen können dafür sorgen, dass im Laufe der Zeit eine Variante dominiert, zum Beispiel so genannte Gründereffekte. So kann eine Variante etwa zu einem gegebenen Zeitpunkt lediglich leicht häufiger eingeschleppt worden sein als andere Varianten. Da bei Sars-CoV-2 eine kleine Anzahl an Infizierten für einen großen Teil der Infektionen verantwortlich sein kann, kann auf diesem Wege schlicht der Zufall dafür sorgen, dass am Ende bestimmte Virussequenzen besonders oft bei Patienten detektiert werden.
Bislang gehen Wissenschaftler davon aus, dass keine der unzähligen Mutationen von Sars-CoV-2 den Verlauf der Pandemie nennenswert beeinflusst hat. »Es ist wichtig festzuhalten, dass es derzeit keinen Hinweis darauf gibt, dass die Verbreitung der neuen Variante auf einer Mutation beruht, die die Übertragung erhöht oder den Krankheitsverlauf beeinflusst«, sagt auch Emma Hodcroft von der Universität Basel im Bezug auf 20A.EU1. Die Variante sei nicht die einzige, die in Europa derzeit grassiere, und in manchen Ländern seien völlig andere Varianten für den Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich, ergänzt Studienautor Richard Neher.
Niemand wünsche sich komplette Grenzschließungen oder strenge Reisebeschränkungen, erklärt Hodcroft. Die Analyse würde aber zeigen, dass die Maßnahmen im Sommer nicht ausreichend gewesen seien, um die Verbreitung des Virus und neuer Virusvarianten zu stoppen.
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