Neuer Bluttest: Viele Rhesus-negative Schwangere können bald auf Antikörper verzichten
Ein neuer Bluttest bestimmt, ob Schwangere eine vorsorgliche Behandlung mit Antikörpern benötigen. Der Test ist ab Juli 2021 zugelassen, berichtet der Bundesverband der Frauenärzte e. V. (BVF) in einer Pressemitteilung. Mit Hilfe des Tests könnten bis zu 40 Prozent aller Behandlungen eingespart werden, die aktuell noch durchgeführt werden, weil die Blutgruppe der werdenden Mutter nicht zu der ihres ungeborenen Kindes passt.
Bisher erhalten alle Schwangeren, die Rhesus-negativ sind, eine vorsorgliche Behandlung mit Antikörpern. Das entspricht rund 110 000 Schwangeren pro Jahr. Dabei ist die Therapie nur in etwa 60 Prozent der Fälle notwendig: dann nämlich, wenn das ungeborene Kind Rhesus-positiv ist. Der neue Bluttest soll nun genau jene Schwangeren herausfiltern, die von der Behandlung profitieren. Dazu wird den Frauen Blut abgenommen und auf Bestandteile der kindlichen DNA abgesucht. Entsprechende Bruchstücke zirkulieren ab der zwölften Schwangerschaftswoche im Blut der Mutter.
Laut dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gilt der neue Test als sehr zuverlässig . Ob er in der Praxis tatsächlich so wirksam ist, habe das IQWiG auf Grund der aktuell noch dünnen Datenlage nicht abschließend klären können, heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts.
Ob jemand Rhesus-positiv oder -negativ ist, richtet sich danach, ob ein bestimmtes Protein auf den roten Blutkörperchen vorhanden ist, der Rhesusfaktor. Bei rund 15 Prozent aller Menschen fehlt er, was sie im Alltag nicht weiter beeinträchtigt. Das fehlende Protein macht sich dann bemerkbar, wenn eine Rhesus-negative Schwangere ein Rhesus-positives Kind bekommt: Kommt sie etwa während der Geburt in Kontakt mit dem kindlichem Blut, bildet ihr Immunsystem Antikörper gegen die roten Blutkörperchen aus. Wird sie dann erneut mit einem Rhesus-positiven Kind schwanger, wandern die Antikörper durch die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes und zerstören die Blutkörperchen mit dem Rhesusfaktor. Im schlimmsten Fall kann das Kind noch im Mutterleib sterben.
Die prophylaktisch verabreichten Antikörper wirken wie eine Tarnkappe für den kindlichen Rhesusfaktor. Sie sind für den Fall gedacht, dass Blutkörperchen des Kindes in den Blutkreislauf der Mutter gelangen. Dann heften sie sich an das Oberflächenprotein und machen es so gewissermaßen unsichtbar für das Immunsystem der Mutter. Dadurch bildet die Mutter keine eigenen Antikörper dagegen aus.
Die Therapie funktioniert gut. Problematisch ist allerdings die Gewinnung der Antikörper: Da sie nicht hergestellt werden können, sind Blutspenden von Rhesus-negativen Männern und Frauen mit einem hohen Antikörperspiegel notwendig. Die Spender müssen selbst in Kontakt mit Rhesus-positivem Blut gekommen sein, was heutzutage immer seltener geschieht: Die meisten Rhesus-negativen Frauen haben während früherer Schwangerschaften bereits selbst die Prophylaxe-Antikörper erhalten. Und Rhesus-negative Männer kommen nur in Ausnahmefällen in Kontakt mit Rhesus-positivem Blut, etwa durch Bluttransfusionen in Notzeiten. Kriegsveteranen, die früher als Spender in Frage kamen, sind inzwischen gestorben oder zu alt zum Spenden. Deshalb importiert Deutschland die Antikörper vollständig aus dem Ausland. Laut dem Bundesamt der Frauenärzte sei aber anzunehmen, dass die Spenderzahlen aus dem Ausland in Zukunft ebenfalls rückläufig werden.
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