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Rossby-Wellen: Neuer »Kippschalter« im Erdklima entdeckt

Immer wieder entsteht auf der Südhalbkugel ein gigantisches Muster aus vier Wellenbergen und -tälern. Nun zeigen Simulationen: Auslöser ist ein kleines Meeresgebiet.
Gerendertes Bild der Erde mit Wolkenmustern.
Prozesse über dem offenen Meer können Auswirkungen über tausende Kilometer hinweg haben.

Ein bisher unbekannter Regulationsmechanismus für das Weltklima ist bei Analysen mit Klimamodellen zum Vorschein gekommen. Das Muster ähnelt dem Wechselspiel von El Niño und La Niña im tropischen Pazifik, geht aber von wärmeren Wassertemperaturen eines Meeresgebiets östlich von Neuseeland aus. Wie eine Arbeitsgruppe um Balaja Senapati vom Indian Institute of Technology in Kharagpur berichtet, lösen diese Temperaturschwankungen ein weltumspannendes Wettermuster aus, bei dem sich je vier wärmere und kühlere Meeresgebiete abwechseln. Ihre jetzt in der Fachzeitschrift »Journal of Geophysical Research: Oceans« veröffentlichte Computersimulation zeigt, wie sich dieses als zirkumpolares Wellenzahl-Vier-Muster bezeichnete System aufbaut und wieder verschwindet. Solche großräumigen Muster haben, ähnlich zu El Niño, potenziell große Auswirkungen auf das weltweite Klima.

Die von den Wassertemperaturen des tropischen Pazifiks ausgehende Klimaschaukel zwischen El Niño und La Niña ist schon sehr lange bekannt. Das wiederkehrende Wellenzahl-Vier-Muster auf der Südhalbkugel dagegen identifizierten Fachleute erst im Jahr 2015. Der Grund ist, dass sich dieses Muster weit jenseits der dicht besiedelten Regionen der Nordhalbkugel auf den offenen Meeren der südlichen Hemisphäre abspielt. Entsprechend wenig erforscht sind die Ursachen und Auswirkungen. Die Studie des Teams um Senapati zeigt nun, dass wie bei El Niño ein relativ kleines Meeresgebiet als »Kippschalter« für globale Veränderungen wirkt. Höhere Meerestemperaturen im Frühjahr im südwestlichen Pazifik setzen dabei eine Kaskade von Ereignissen in Gang, deren Auswirkungen rund um den Globus reichen. So bringen Fachleute das Muster etwa mit extremen Regenfällen in Südafrika im Jahr 2013 in Verbindung.

Der stärkere Wärmetransport aus dem Meeresgebiet verursacht Schlaufen im polaren Jetstream der Südhalbkugel, so genannte Rossby-Wellen. Diese Wellenbewegung wirkt großräumig auf den Ozean zurück. In manchen Gebieten verstärkt der Wind die Durchmischung, die ozeanische Deckschicht wird tiefer und erwärmt sich dort langsamer. Wo der Jetstream wieder zurück schwingt, bleibt der Ozean ruhiger und die dünne Deckschicht erwärmt sich stärker. Diese Abfolge von kalten und warmen Zonen stabilisiert wiederum die vier Schlaufen des Jetstreams. Dadurch bildet sich ein selbstverstärkendes Muster aus warmen und kalten Meeresgebieten, das sich über den Südsommer hinweg immer stärker ausprägt. Ist der Südostpazifik im Frühjahr dagegen kühl, unterdrückt er das Muster.

Im Herbst beginnen die Anomalien im Wärmefluss vom Ozean in die Atmosphäre dann wiederum, das Muster zu destabilisieren. Deswegen hält das Wellenzahl-Vier-Muster, anders als El Niño, nur über die Sommermonate an und bleibt nicht über längere Zeiträume stabil. Die Simulation der Arbeitsgruppe deutet darauf hin, dass dieser Kippschalter ein natürlicher Bestandteil des Klimasystems ist. Welche Auswirkungen dieses Wechselspiel für Australien, Südamerika und das südliche Afrika hat, ist nur zum Teil klar. Meerestemperaturen auf dem offenen Ozean beeinflussen großräumig Windsysteme und können über weite Regionen die Niederschlagsmuster verändern. Dass dieses Muster erst jetzt nach und nach entschlüsselt wird, deutet darauf hin, wie komplex das Klima der Erde ist – und wie leistungsfähige moderne Beobachtungstechniken und Simulationen helfen, die komplizierten Muster der Atmosphäre zu entschlüsseln.

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