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News: Neuer Materiezustand ultrakalter Atome

Schon ein Bose-Einstein-Kondensat ist eine ungewöhnliche Form der Materie, aber Physiker konnten nun aus dem Quantengas einen noch komplizierteren Zustand zaubern. Indem sie das Kondensat in einen dreidimensionalen Lichtkristall sperrten und die Lichtstärke sukzessive erhöhten, schufen sie einen so genannten Mott-Isolator, bei dem eine feste Zahl von Atomen auf den Gitterplätzen des Kristalls sitzt und jegliche Bewegung eingefroren ist.
Im letzten Jahr wurde der Physik-Nobelpreis für Arbeiten zur Erzeugung von Bose-Einstein-Kondensaten vergeben. In einem solchen Kondensat, nahe am absoluten Nullpunkt, verlieren alle Atome ihre Individualität. Es entsteht ein wellenartiger Zustand der Materie, der sich in mancher Hinsicht mit Laserlicht vergleichen lässt. Ausgehend von einem solchen atomaren Bose-Einstein-Kondensat ist es nun Forschern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München gemeinsam mit einem Kollegen der ETH Zürich erstmals gelungen, einen neuen Materiezustand zu schaffen.

Dazu speicherten sie ein Bose-Einstein-Kondensat in einem dreidimensionalen Kristall aus winzigen Lichtfallen. Indem sie die Lichtstärke dieses Gitters änderten, konnten die Forscher die Eigenschaften des Kondensats dramatisch verändern und einen Übergang von der superfluiden Phase des Bose-Einstein-Kondensats in eine so genannte Mott-Isolator-Phase herbeiführen. Diese Phase wurde zuerst von dem Physiker Sir Neville Mott im Jahr 1974 im Rahmen von Metall-Isolator-Übergängen in Festkörpern vorausgesagt. Unter anderem dafür erhielt Mott 1977 den Nobelpreis für Physik.

In einem Bose-Einstein-Kondensat, wie es im Lichtkristall bei geringer Lichtstärke existiert, sind die Atome nach den Gesetzen der Quantenmechanik wellenartig über das gesamte Gitter hinweg ausgedehnt. Das Atomgas kann sich leicht durch das Gitter hindurch bewegen. Im Mott-Isolator sind die Atome hingegen auf einzelne Gitterplätze mit einer fester Atomzahl festgelegt und bilden so ein Teilchengitter. In diesem Fall wird die Bewegung der Atome durch das Gitter aufgrund der abstoßenden Wechselwirkung zwischen ihnen blockiert.

Markus Greiner von der Universität München und seine Kollegen zeigten in ihren Experimenten, dass sich der Phasenübergang zwischen der superfluiden und der Mott-Isolator-Phase in beide Richtungen durchschreiten lässt. Der Übergang wird auch als Quantenphasenübergang bezeichnet, denn er findet nur in der Nähe des absoluten Nullpunkts statt. Der Übergang zwischen den Phasen wird dann allein durch die von der Heisenberg'schen Unschärferelation vorausgesagten Quantenfluktuation ermöglicht, denn alle thermischen Fluktuationen, die normalerweise einen Phasenübergang bewirken, sind bereits "ausgefroren".

Mit ihren Versuchen ist es den Münchner Forschern gelungen, ein neues Kapitel in der Physik ultrakalter Atome aufzuschlagen. "Mit diesem Experiment gehen wir einen deutlichen Schritt über ein Bose-Einstein-Kondensat hinaus", stellt Immanuel Bloch, einer der Quantenphysiker, fest. "Im Mott-Isolator-Zustand lassen sich Atome nicht mehr mit den bisher erfolgreichen Theorien für Bose-Einstein-Kondensate beschreiben, sondern müssen aufgrund ihrer Wechselwirkungen miteinander mit Hilfe neuer Theorien beschrieben werden, die bisher weit weniger gut verstanden sind."

Der neue Materiezustand des Mott-Isolators wird den Wissenschaftlern helfen, fundamentale Fragen der Physik stark korrelierter Systeme zu klären, die unter anderem die Grundlage für das Verständnis der Supraleitung bilden. Außerdem eröffnet der Mott-Isolator-Zustand vielfältige neue Perspektiven für hochgenaue Materiewellen-Interferometer und Quantencomputer.

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