Astronomie: Neuer Planet treibt in der »Neptun-Wüste«
Ein kleiner Bruchteil der Sterne im Weltall hat das, was man einen engen Begleiter nennt. Gemeint ist ein Planet, der seine Sonne in so geringem Abstand umrundet, dass er nicht die sonst üblichen Wochen, Monate oder Jahre für einen Umlauf benötigt, sondern lediglich einen Tag. Bisher dachten Astronomen, dass bloß zwei Klassen von Planeten in solch engen Orbits vorkommen: kompakte Felskugeln und mächtige Gasriesen.
Der Grund: Planeten mit weniger Masse als Jupiter müssten ihre ausgedehnte Gashülle eigentlich verlieren, wenn sie einem Stern zu nahekommen – und folglich zu einer nackten Felskugel werden. Denn die hohen Temperaturen in Verbindung mit Sternwinden und Massenauswürfen des Sterns befördern Gasmoleküle nach und nach ins Weltall, sofern ihr Planet nicht genügend Schwerkraft aufbringt, um sie festzuhalten.
Daher sollte es auf sehr engen Umlaufbahnen keine Planeten vom Format des Neptuns geben, der von seiner Masse her zwischen Erde und Jupiter liegt. Neptun ist eine Art Zwitter aus terrestrischer Ozeanwelt und Gasplanet und wäre damit schlicht zu leicht, um das Entweichen seiner ausgedehnten Atmosphäre zu verhindern. Entsprechend gingen Wissenschaftler bisher davon aus, dass es diese Planetenklasse nicht in extrem engen Orbits um Sterne geben sollte, Experten sprechen von einer »Neptun-Wüste« in der Verteilung aller denkbaren Exoplaneten auf solchen Bahnen.
Eine mit dem Weltraumteleskop TESS entdeckte Welt zeigt nun jedoch, dass die Neptun-Wüste keineswegs so leer zu sein scheint, wie Forscher bisher annahmen: Der 263 Lichtjahre entfernte Exoplanet ist 29-mal so schwer wie die Erde und 4,5-mal so groß, berichtet ein internationales Astronomenteam in »Nature Astronomy«. Damit ist der Planet – bei gleicher Dichte – nur 15 Prozent größer als Neptun und hat vermutlich eine Wasserstoffatmosphäre, die ein Zehntel der Planetenmasse ausmacht. Aber anders als der Verwandte in unserem Sonnensystem braucht LTT 9779 b gerade mal 19 Stunden für eine Runde um den Mutterstern.
Das wirft aus Sicht der Forscher die Frage auf, wie der Exoplanet seine Gashülle behalten konnte, trotz einer geschätzten Oberflächentemperatur von rund 1700 Grad. Eine Möglichkeit sei, dass er ursprünglich dem Jupiter geähnelt hat, dann jedoch seinem Stern so nahekam, dass Gezeitenkräfte Teile der Gashülle lösten. Dadurch könnte der Planet im Lauf der Zeit zu einer Art Neptun geschrumpft sein, dessen Kern gerade noch schwer genug ist, um trotz der extremen Bedingungen eine mittelgroße Atmosphäre festzuhalten – zumindest fürs Erste.
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