Raumfahrttechnik: Neuer Raketentreibstoff aus Aluminium und Wasser dank Nanotechnologie
Mit den richtigen Stoffen gemischt ist Aluminium zu heftigen chemischen Reaktionen fähig. In den Boostern von Spaceshuttles verbrennt es mit Ammoniumperchlorat; mit Eisenoxid schmilzt es als Thermit durch dicke Stahlträger. Die NASA und die US Air Force starteten nun eine Testrakete, die dank neuer Aluminium-Nanopartikel nur noch Wasser als Reaktionspartner benötigt. Auch auf Mond und Mars ließe sich das Gemisch produzieren.
Im Alltag kennen wir Aluminium als langlebiges, rostfreies Material. Chemisch gesehen ist es jedoch tatsächlich eines der unedelsten und damit reaktionsfreudigsten Metalle. In Kontakt mit Wasser entreißt es den H2O-Molekülen sofort den Sauerstoff und setzt Wasserstoff und Energie frei. Dies bleibt uns jedoch meist verborgen, da das blanke Metall auch an der Luft sofort mit Sauerstoff reagiert und sich mit einer dünnen Oxidschicht überzieht, die weitere Reaktionen stoppt.
Schon seit den 1960er Jahren forschen Chemiker daher an Methoden, diesen Prozess zu unterbinden, um das enorme Energiepotenzial von Aluminium nutzbar zu machen. Legierungen mit exotischen Metallen wie Gallium oder Quecksilber sind eine teure und giftige Lösung des Problems. In Reaktionen bei Temperaturen von mehr als 2000 Grad wie mit Ammoniumperchlorat oder Eisenoxid schmilzt die Oxidkruste und stellt kein Problem mehr da. Jedoch ist hier eine entsprechend heiße Zündflamme nötig.
Eine neue Lösung eröffnete in den vergangenen Jahren die Nanotechnologie: Verkleinert man die Aluminiumkörner bis zu einem Durchmesser von wenigen Milliardstel Metern, so ist auch die Oxidschicht nur noch einige Atomlagen dick und bricht dementsprechend schnell auf. Dieses Nano-Aluminium (nAl) reagiert nun bereits bei Zündtemperaturen unter 600 Grad mit Wasser und setzt dabei so viel Energie frei, dass die Reaktion sich selbst aufrechterhält.
Der neue Raketentreibstoff ALICE ist ein Gemisch von nAl und Wassereis (Al + Ice). Die Rohpaste lässt sich leicht in Raketen füllen und dort einfrieren. Das Material ist durch die hohe Zündtemperatur unempfindlich gegenüber Stößen, Funken und elektrischen Entladungen. Beim Abbrennen entstehen lediglich Wasserstoff und Aluminiumoxid (besser bekannt als Tonerde).
Bei den bisherigen Tests verbrannte der Wasserstoff ungenutzt in der Luft. Die beteiligten Forscher der Purdue University im US-Bundesstaat Indiana wollen dem Gemisch in Zukunft Stoffe beigeben, die zusätzlichen Sauerstoff erzeugen, so dass auch der Wasserstoff verbrennt und weiteren Schub liefert. Nach ersten Berechnungen könnte die Schubleistung von ALICE dann deutlich über der von bekannten Festbrennstoffen liegen.
Der größte Nachteil dieser Technik ist die aufwendige Produktion von nAl. Die Nanopartikel entstehen nur im Hochvakuum in einer 10 000 Grad heißen Plasmaflamme. Auch das rohe Aluminium lässt sich nur unter sehr viel Energieaufwand elektrochemisch aus Erz gewinnen. Eine große Zukunft könnte ALICE jedoch trotzdem im Raumflug bevorstehen, denn Aluminiumverbindungen und Wassereis kommen sehr häufig im Sonnensystem vor. Auf Mond, Mars und anderen Himmelskörpern ließe sich somit Treibstoff direkt vor Ort erzeugen.
Ralf Strobel
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