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News: Neues aus alten Funden

Vor vielleicht anderthalb Millionen Jahren begann Homo erectus von Afrika aus die Welt zu erobern. Irgendwann erreichte er dabei auch rauhere Klimazonen, für die er ursprünglich nicht geschaffen war. Daher vermuteten Anthropologen bisher, dass die Vorfahren des Menschen außertropische Regionen erst spät besiedelt haben. Doch jetzt konnte eine Wissenschaftlergruppe in Nordchina vor über zwanzig Jahre gefundene Steinwerkzeuge von Homo erectus neu datieren. Mit fast 1,4 Millionen Jahren sind die Überreste der älteste Hinweis vormenschlicher Besiedlung in Ostasien.
Die Evolutionstheorie von Charles Darwin revolutionierte im 19. Jahrhundert nicht nur die Biologie, sondern brachte auch ein ganzes Weltbild zum Einsturz. Nur widerwillig wollten sich Darwins Zeitgenossen an den Gedanken eines tierischen Ursprungs des Menschen gewöhnen. Noch fehlten fossile Belege aus dem Übergangsgebiet zwischen Tier und Mensch, doch im Jahr 1891 entdeckte Eugène Dubois auf Java ein Schädeldach, das nicht Homo sapiens zugeordnet werden konnte. Anhand dieses Fundes definieren die Anthropologen heute den "aufrechten Menschen", den Homo erectus. Inzwischen hat sich der ostasiatische Raum und insbesondere China als Eldorado für Hominidenfunde erwiesen.

Homo erectus entstand jedoch nicht in Asien, sondern vermutlich vor 1,8 Millionen Jahren auf dem afrikanischen Kontinent. Von hier aus verbreitete er sich nach und nach in Afrika, Asien, Europa und Australien. Dabei erreichte er auch Klimazonen, für die er – aus den Tropen stammend – anatomisch und physiologisch nicht geschaffen war. Außertropische Regionen konnte er erst spät dauerhaft besiedeln, vermuteten Anthropologen bis jetzt.

Bis jetzt. Denn nun haben sich Rixiang Zhu von der Chinese Academy of Sciences und Kenneth Hoffman von der California Polytechnic State University zusammen mit anderen Wissenschaftlern alte Relikte des Homo erectus noch einmal vorgenommen. Es handelt sich dabei um Steinwerkzeuge, die 1980 bei Xiaochangliang im Nihewan-Becken Nordostchinas gefunden worden sind. Deren Alter blieb bis heute rätselhaft, da klassische Datierungsmethoden auf der Basis des Zerfalls radioaktiver Isotope nicht möglich waren.

Zhu und seine Kollegen setzten daher eine andere Methode ein: Sie machten sich die mehrmaligen Umkehrungen des Erdmagnetfeldes der letzten Jahrmillionen zu nutze. Diese Feldumkehrungen spiegeln sich in der Ausrichtung magnetischer Mineralien wider, die als so genannte magnetische Suszeptibilität messbar ist. Da die Zeitpunkte der Feldumkehrungen recht genau bekannt sind, lassen sich hiermit Schichten datieren. So fand vor 1,77 und vor 1,07 Millionen Jahren jeweils eine solche Feldumkehrung statt – und genau in dieser Schicht lagen die Steinwerkzeuge des Homo erectus. Unter der Annahme einer konstanten Sedimentation schätzten die Wissenschaftler das Alter der Funde auf 1,36 Millionen Jahre.

Damit sind die Artefakte wesentlich älter als bisher angenommen. Sie gelten jetzt als die ältesten vormenschlichen Spuren nördlich des 40. Breitengrades – und werfen neue Fragen auf. Wie konnte Homo erectus schon so früh derart weit nach Norden vorrücken? Das Klima war hier zwar in der Regel angenehm feucht und warm, dennoch gab es immer wieder längere Perioden kalten und trockenen Wetters, auf das Homo erectus biologisch nicht eingestellt war. Vermutlich konnten sich die ersten Siedler bereits sehr früh an ein rauhes Klima durch Kleidung und den Gebrauch des Feuers schützen. Das setzt ein intelligentes Sozialverhalten voraus, dass man dem "aufrechten Menschen" bisher nicht zugetraut hatte.

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