Verspannte Kristallgitter: Neues Herstellungsverfahren bringt organische Halbleiter auf Trab
Theoretisch könnten organische Halbleiter die Computertechnik revolutionieren: Sie erlauben es, biegsame, transparente und obendrein billige elektronische Bauteile herzustellen und dadurch sogar Wegwerfartikeln eine Rechenleistung beizugeben. Aus Praxissicht scheitert der Einsatz des vermeintlichen Siliziumnachfolgers jedoch an der geringen Ladungsträgermobilität: Elektronen und Löcher bewegen sich einfach zu langsam durch das Material, als dass aus ihnen konstruierte Komponenten mit den Schaltzeiten heutiger Prozessoren mithalten könnten.
Wissenschaftler um Zhenan Bao von der Stanford University haben nun ein verbreitetes Herstellungsverfahren adaptiert, mit dem sich die Ladungsträgermobilität um das annähernd Sechsfache steigern lässt: Sie setzten die organischen Halbleiterkristalle beim Wachstum unter mechanische Spannung.
Dass dies die Leistung drastisch steigern würde, sei kein Geheimnis, erläutert die Forscherin. Bei der Herstellung von Silizium für Computerbauteile werde seit Längerem ein ähnliches Verfahren angewendet, aber niemanden sei es bisher gelungen, die Technik auf organische Halbleitermaterialien umzumünzen, so Bao.
Bei verspannten Kristallgittern wird der Abstand zwischen den Atomen stark verringert. Dadurch verändert sich der Überlapp der Orbitale, und die Ladungsträger können sich freier bewegen als im Normalzustand. So stieg bei ihren Laborversuchen an so genanntem TIPS-Pentacen die Beweglichkeit der positiven "Löcher" von 0,8 Quadratzentimeter pro Voltsekunde auf 4,6 Quadratzentimeter pro Voltsekunde. Allerdings liegt sie damit immer noch etwa um den Faktor Hundert unter der von Silizium. TIPS-Pentacen ist ein Halbleiter, der unter anderem in organischen Solarzellen zum Einsatz kommt.
Das von Bao und Kollegen weiterentwickelte Verfahren eigne es sich vermutlich gut für den Serieneinsatz und sei flexibel genug, um es auf eine Vielzahl anderer organischer Halbleiter zu übertragen. Dabei wird der Halbleiter in einem Lösungsmittel zwischen zwei beheizte, parallele Platten gefüllt. Zieht man nun die obere Platte mit einer Scherbewegung ab, verdunstet an ihrer Kante aus der freiwerdenden Halbleiterlösung das Lösungsmittel: der Halbleiter kristallisiert aus, wobei die Kristalle bevorzugt entlang der Bewegungsrichtung der oberen Platte wachsen. Durch die geschickte Auswahl der Schergeschwindigkeit und weiterer Parameter konnten die Wissenschaftler um Bao die genaue Form des Kristalls kontrollieren.
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