Sonnensystem: Neues vom interstellaren Besucher 'Oumuamua
Der seltsame Himmelskörper 1I / 'Oumuamua wurde am 19. Oktober 2017 von Astronomen auf Hawaii entdeckt. Wegen seiner hohen Geschwindigkeit und fast senkrecht auf der Ebene des Sonnensystems stehenden Bahn wurde schnell klar, dass es sich um einen interstellaren Sonnensystemkreuzer handeln musste. Es war das erste Objekt dieser Art, ein »Botschafter« – so die direkte Übersetzung des hawaiianischen Namens – aus einem anderen Sonnensystem.
Ein sehr rätselhaftes Objekt
Zwei Tatsachen ließen den Eindringling aus einer fremden Welt in einem mysteriösen Licht erscheinen: Erstens gibt es keine Nahaufnahme, die auf die exakte Gestalt und die Größe von 'Oumuamua schließen lässt. Zweitens wurde im Sommer 2018 eine merkwürdige Zusatzbeschleunigung des Körpers gemessen. 'Oumuamua bewegt sich nicht allein »ballistisch« unter dem gemeinsamen Einfluss der Schwerefelder unserer Sonne und der Planeten; es gibt zusätzliche Kräfte, deren Ursprung bis heute ungeklärt ist.
Auch wenn es kein Detailfoto aus der Nähe gibt, so können die Himmelsforscher mit indirekten Methoden einige Schlüsse ziehen. Denn die Nichtentdeckung 'Oumuamuas durch das Weltraumteleskop Spitzer und seine beobachtete Lichtkurve (der Entwicklung der Helligkeit über der Zeit) sprechen dafür, dass der Körper sehr klein sein muss – im Bereich von 100 Metern. Und das Objekt muss eine längliche Form haben, die etwa einem Verhältnis der drei Körperachsen von ungefähr 10:1:1 folgt. So einen komisch geformten Himmelskörper hatten die Astronomen noch nie beobachtet!
Die Sonnensegel-Hypothese
Im November 2018 sorgte 'Oumuamua erneut für Furore, weil spekuliert wurde, ob es sich um ein sonnensegelartiges Gebilde, eventuell sogar um eine Raumsonde einer außerirdischen Intelligenz handeln könnte, wie spektrum.de berichtete. Letzteres ist äußerst spekulativ und wurde natürlich nicht bestätigt. Astronomen von der Harvard University griffen das ungewöhnliche Achsenverhältnis auf und mutmaßten, dass 'Oumuamua äußerst flach und dünn wie ein Sonnensegel sein müsste. Die merkwürdige Zusatzbeschleunigung konnten sie so dadurch erklären, dass das flache Segel vom Strahlungsdruck unserer Sonne zusätzlich angeschoben wird. Dazu passt auch, dass die Zusatzkraft abnimmt, je weiter sich 'Oumuamua von der Sonne entfernt.
Aber richtig klar war die Sachlage nicht. Und so hat 'Oumuamua seither hohe Wellen in der astronomischen Community geschlagen. Bündelweise erschienen in den letzten Monaten neue Veröffentlichungen, in denen den unterschiedlichsten Hypothesen nachgegangen wurde. Nun wurde eine Untersuchung von T. M. Eubanks in den »Astrophysical Journal Letters« publiziert, in der die Sonnensegel-Hypothese weiteren Aufwind erfährt.
Woher kam der Eindringling?
Im Bericht auf spektrum.de wurden mögliche Sterne vorgestellt, die Astronomen der ESA-Mission Gaia als Heimatstätten des Erdkreuzers identifiziert hatten. In der neuen Hypothese wird der Vermutung nachgegangen, dass der Ursprungsort von 'Oumuamua der Strom der Plejaden gewesen sein könnte. Die Plejaden sind als Siebengestirn im Sternbild Stier bekannt und rund 440 Lichtjahre von uns entfernt. Einige Sterne bilden hierbei einen lockeren, offenen Sternhaufen. Sie stehen nicht zufällig beieinander, sondern bewegen sich gemeinsam als lockerer Verbund im interstellaren Raum. Die Idee ist nun, dass 'Oumuamua diesem Gewimmel der Plejadensterne entsprungen sein könnte und sich auf eine Millionen Jahre dauernde Reise in unser Sonnensystem gemacht hatte. Dafür spricht die Ähnlichkeit der Geschwindigkeit in Betrag und Richtung, die 'Oumuamua vor Eintritt ins Sonnensystem hatte und derjenigen, welche die Plejadensterne aufweisen.
Eubanks untersuchte nun, wie sich ein Sonnensegel von den Plejaden ins Sonnensystem bewegen würde. Der interstellare Raum ist nicht leer, sondern angefüllt mit interstellarem Staub und Gas. Dieses Material setzt dem möglicherweise großflächigen Segel 'Oumuamuas einen Widerstand entgegen. Ein Objekt mit einem sehr kleinen Verhältnis seiner Masse zu seiner Oberfläche würde sehr stark vom Zug der interstellaren Wolken beeinflusst werden. Möglicherweise gibt es eine weitere Population interstellarer Körper mit einem größeren Masse-zu-Oberfläche-Verhältnis. Das sollen weitere Beobachtungen zeigen.
Jagd auf 'Oumuamuas Geschwister
Werden wir je erfahren, was genau 'Oumuamua war? Er bleibt mysteriös. Aktuell bewegt er sich von der Sonne weg und befindet sich bereits jenseits der Neptunbahn. Auf Grund der hohen Geschwindigkeit wird er dem Sonnensystem entkommen, und es scheint aussichtslos, ihm eine Sonde hinterherzuschicken, um seine Gestalt und Größe aufzuklären.
Eubanks schlägt vor, gezielt nach ähnlichen interstellaren Objekten in den galaktischen Strömen zu suchen, zum Beispiel in den nah beieinanderliegenden Strömen der Plejaden und aus dem Sternbild Herkules. Falls sie rechtzeitig während des Anflugs entdeckt werden, könnten die Astronomen viele der hier dargestellten Hypothesen überprüfen. Vielleicht finden sie dabei heraus, wie sich andere neue 'Oumuamuas beim Flug durch unser Sonnensystem verhalten.
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