Neuroprothesen: High-Five mit Roboterarm
Mit seinen Freunden Stein-Schere-Papier spielen oder allein aus einem Wasserglas trinken – für den querschnittsgelähmten Eric G. Sorto ist das eigentlich undenkbar. Doch dank einer neuartigen Prothese ist ihm nun beides gelungen. Wissenschaftler um Richard Andersen vom California Institute of Technology (Caltech) haben den 32-Jährigen dazu mit einer Art Roboterarm ausgestattet, der direkt Signale aus dem Gehirn des Patienten empfängt.
Derartige "Neuroprothesen" sind bereits länger in Entwicklung. Gesteuert werden sie mit Hilfe von Elektroden, die ins Gehirn des Trägers implantiert werden und dort die elektrischen Signale der Nervenzellen auffangen. Doch Sortos Prothese hat eine besondere Neuerung: Der Patient steuert seinen Roboterarm, indem er sich die gewünschte Bewegung im Geist ausmalt. Das soll die Steuerung des künstlichen Arms oder Bein intuitiver machen.
Die Wissenschaftler platzierten ihre Elektroden dazu in einem anderen Hirnbereich als sonst üblich. Bisher wurden die Impulse im so genannten motorischen Kortex abgeleitet, wo bei Gesunden die Kommandos an Rückenmark und Muskeln weitergegeben werden. Für Sortos Prothese hingegen setzten die Forscher in einem Areal an, in dem das Gehirn frühere Stadien der Bewegungsplanung durchläuft – unter anderem eben auch die bloße Vorstellung, eine bestimmte Bewegung auszuführen.
Mechanisches High-Five
Zuerst studierten Andersen und Kollegen dieses Areal, den posterioren Parietalkortex, mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie. Im Scanner sollte Eric Sorto verschiedene Bewegungen mit seinem Arm gedanklich ausführen; währenddessen identifizierten die Forscher zwei Unterbereiche, die dabei aktiv wurden. Dort implantierten sie Drähte mit 96 winzigen Elektroden. Jede Elektrode zeichnete die Aktivität eines einzelnen Neurons auf. Anschließend ermittelte ein Computer, welche Form von Nervenzellaktivität mit welcher vorgestellten Bewegung einherging und mit welchen Befehlen an den Roboterarm diese Bewegung auszuführen ist.
Nachdem alle Operationswunden verheilt waren, konnten die Tests mit der neuen Schnittstelle beginnen. Sie seien überrascht gewesen, wie schnell sich Eric Sorto an die Technik gewöhnte, schreiben die Wissenschaftler. Schon bei der ersten Sitzung konnte er den Roboterarm kraft seiner Gedanken steuern. "Ich wollte nur noch herumrennen und allen ein High-Five geben", erinnert sich Sorto, der seit zehn Jahren gelähmt ist. Die Steuerung der Prothese funktioniere dabei ganz intuitiv. Er müsse einfach denken, "ich will jetzt dieses Objekt greifen". Frühere Neuroprothesen ließen sich nur ruckartig und verzögert steuern, die neue Technik ermöglicht natürlichere Bewegungsabläufe.
Die Wissenschaftler des Caltech stehen allerdings noch ganz am Anfang ihrer Forschung. Ein Problem der Neuroprothesen ist, dass sie einen chirurgischen Eingriff ins Gehirn nötig machen, zudem haben die implantierten Elektroden nur eine begrenzte Lebensdauer. Doch der erfolgreiche Einsatz ihrer Technik bei Eric Sorto bereitet den Weg für weitere Studien. Als Nächstes wollen sie die Prothese mit einer Art künstlichem Tastsinn ausstatten, um einen sensibleren Umgang mit zerbrechlichen Gegenständen zu ermöglichen.
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