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Neutronensterne: Geisterhafte Sternpartner

Mit Hilfe von Daten des Astrometriesatelliten Gaia konnte ein Forschungsteam 21 unsichtbare Neutronensterne entdecken, die sich in Umlaufbahnen um sonnenähnliche Sterne befinden.
Ein sonnenähnlicher Stern im Umlauf um einen Neutronenstern (künstlerische Darstellung)

Ein internationales Team um Kareem El-Badry, mit deutscher Beteiligung um Hans-Walter Rix vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, identifizierte 21 sonnenähnliche Sterne als Doppelsternsysteme. Für sich genommen ist dies nichts Rares, werden doch die meisten Sterne als Doppel- oder Mehrfachsterne geboren. Das Besondere an dieser Entdeckung: Sämtliche Partner sind Neutronensterne, kleine und extrem dichte Überreste von einst massereichen Sternen, die ihre Existenz in einer gewaltigen Explosion, einer Supernova, beendeten.

Die neu entdeckten Neutronensterne mit mehr als 1,25 Sonnenmassen umkreisen in außergewöhnlich langen Perioden – zwischen 180 und etwas mehr als 1000 Tagen – einen gemeinsamen Schwerpunkt mit ihrem jeweiligen Begleiter. Letztere weisen Massen zwischen 0,7 und 1,4 Sonnenmassen auf. Neben den Astrometriedaten der Gaia-Mission wurden mehrere erdgebundene Teleskope genutzt, um mehr über die verborgenen Neutronensterne zu erfahren, die selbst nicht leuchten. Seine Ergebnisse veröffentlichte das Team in »The Open Journal for Astrophysics«.

Im Milchstraßensystem allein sind mehrere tausend Neutronensterne bekannt. Der überwiegende Teil, mehr als 99 Prozent, fristet ein einsames Dasein. Die wenigen bereits beobachteten Paarungen mit sonnenähnlichen Sternen haben meist sehr enge Umlaufbahnen und verraten sich durch starke Röntgen- und Radiostrahlung als Folge des Materietransfers zwischen beiden Partnern. Isolierte Neutronensterne sind dagegen sehr leuchtschwach und lassen sich daher kaum direkt beobachten.

Die neu identifizierten Paare weisen hohe räumliche Entfernungen zueinander auf, ohne Hinweise auf Materieaustausch und die damit verbundene deutlich nachweisbare Strahlung. Mit ihrer starken Gravitationswirkung machen sie sich jedoch durch das Zerren an ihren Partnern bemerkbar. Mit Hilfe dieser verräterischen Hin- und Herbewegung der sichtbaren Sterne spürte das Team um El-Badry damit eine neue Population unsichtbarer Neutronensterne auf.

Die Frage, wie der Überrest eines explodierten Sterns neben einem sonnenähnlichen Stern existieren kann, bleibt offen. »Nach der Wechselwirkung mit dem riesigen Vorläufer des Neutronensterns hätte die folgende Supernova-Explosion das Binärsystem auseinanderreißen und beide Partner in entgegengesetzte Richtungen schleudern müssen. Die Entdeckung dieser neuen Systeme zeigt, dass zumindest einige Doppelsterne diese kataklysmischen Prozesse überleben, auch wenn Modelle noch nicht vollständig erklären können, wie dies möglich ist«, erläutert El-Badry. Die Beobachtungen zeigen zudem, wie selten solche Paarungen sind. El-Badry schätzt, dass nur etwa einer aus einer Million sonnenähnlicher Hautreihensterne einen Neutronenstern zum Partner hat.

Das Team sucht zugleich nach ebenso dunklen »schlafenden« Schwarzen Löchern, die sich im gemeinsamen Orbit mit Sternen befinden, die in Masse und Größe der Sonne ähnlich sind. Mit Hilfe der Gaia-Daten konnte das Team bereits drei solcher entdecken. Das eine, Gaia BH1 genannt, ist mit einer Entfernung von 1600 Lichtjahren zur Erde das uns nächstgelegene bekannte stellare Schwarze Loch.

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