Astrophysik: Neutronensterne zerquetschen Atomkerne zu Quarkmaterie
Nur an wenigen Orten im Universum müssen Atomkerne so stark leiden wie im Inneren von Neutronensternen. Die Sternleichen vereinen so viel Masse auf knappem Raum, dass die Schwerkraft alle Substanz brutal zusammendrückt. Elektronen werden in die Atomkerne gepresst, wodurch massenweise Neutronen entstehen. Dicht auf dicht können sie sich gerade noch dagegen wehren, zu völlig charakterlosem Materiematsch zermalmt zu werden, so wie es im Inneren eines Schwarzen Lochs geschieht.
Wie genau es Materie im Inneren von Neutronensternen ergeht, ist derweil noch unklar. Astrophysiker diskutieren seit Längerem zwei Szenarien: Entweder die Neutronen bleiben weitgehend intakt und wabern durcheinander. Oder der extreme Druck sprengt die Partikel und setzt die Quarks aus ihrem Inneren frei. Insbesondere der Kern von Neutronensternen würde dann aus einem Quark-Gluon-Plasma bestehen, wie es Forscher auf der Erde bisher nur für Sekundenbruchteile an Teilchenbeschleunigern herstellen konnten.
Ein Team um Aleksi Vuorinen von der Universität Helsinki meint nun überzeugende Belege für letzteres Szenario gefunden zu haben. Wenn man alle verfügbaren Beobachtungsdaten und sämtliche denkbaren Modelle berücksichtige, müssten zumindest sehr schwere Neutronensterne einen Kern aus frei schwimmenden Quarks haben, schreiben die Forscher in »Nature Physics«.
Die Gruppe stützt sich in ihrer Studie auf zwei besondere Beobachtungen der vergangenen zehn Jahre: 2017 haben Wissenschaftler die Gravitationswellen eines Zusammenstoßes zweier Neutronensterne aufgefangen. Dadurch können Forscher nun die Größe und Dehnbarkeit der extremen Objekte besser eingrenzen. Und bereits 2010 hatten Astrophysiker ein überraschend schweres Exemplar aufgespürt, das fast doppelt so viel Masse in sich vereint wie unsere Sonne.
Die finnischen Forscher haben überprüft, welche der 570 000 denkbaren »Zustandsgleichungen« für Neutronensternmaterie diese Rahmenbedingungen erfüllen und was für eine Vorhersage für den Kern sie jeweils treffen. Demnach könnten sich viele der Objekte zwar ohne Quarkmaterie erklären lassen. Bei den schwersten Vertretern müsse man dazu aber extreme Annahmen treffen, unter anderem würde die Schallgeschwindigkeit in ihnen einen ungewöhnlich großen Wert annehmen. Ein Kern aus frei schwimmenden Quarks sei in diesen Fällen daher die deutlich plausiblere Variante, argumentiert das Team.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.