New Horizons: Pluto - ein Herz aus eisigem Kohlenmonoxid
Gerade erst begonnen hat die Übertragung der Bilder und Messdaten der NASA-Sonde New Horizons am Zwergplaneten Pluto am 14. Juli 2015. Die nun frei gegebenen Informationen erlauben erste interessante Einblicke in das System des Zwergplaneten am Rand des Sonnensystems. Bislang sind nur drei hochaufgelöste Bilder von der Plutooberfläche veröffentlicht worden. Sie befinden sich alle im Gebiet mit dem derzeit noch vorläufigen Namen "Tombaugh Regio", einer hellen, annähernd herzförmigen Region auf dem Zwergplaneten. Es zeigt sich, dass der hellere Flügel des Herzens eine glatte Oberfläche aufweist, auf der sich keinerlei Einschlagkrater aufspüren lassen. Die Forscher um Alan Stern, den Chefwissenschaftler der Mission New Horizons, vermuten, dass dieses Gebiet, das den vorläufigen Namen "Sputnik Planum" erhielt, geologisch sehr jung sein könnte. In diesem Fall gehen sie von einem Alter von weniger als 100 Millionen Jahren aus.
Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass die Oberfläche sich in unregelmäßige rundliche Flächen aufteilt, die Durchmesser von 20 bis 30 Kilometern haben. Sie werden in manchen Teilen von grabenartigen Strukturen begrenzt, in manchen dieser Gräben ist sehr dunkles Material unbekannter Zusammensetzung sichtbar. In anderen Teilbereichen werden die rundlichen Flecken durch Ansammlungen kleiner Hügel getrennt. Im südlichen Bereich des Bilds ist die Oberfläche von kleinen Löchern übersät, die den Eindruck einer angeätzten Oberfläche vermitteln. Mittels des Instruments Ralph wurde im Infraroten festgestellt, dass "Sputnik Planum" hohe Gehalte an gefrorenem Kohlenmonoxid aufweist. Vielleicht gehen die angeätzten Gebiete auf die direkte Verdampfung (Sublimation) von Kohlenmonoxid zurück, als der Planet von 1979 bis 1999 der Sonne näher war als der äußerste Planet Neptun und somit die Sonneneinstrahlung beträchtlich höher war als im Jahr 2015.
Südlich an dieses Bild angrenzend sind dagegen recht spitze, kegelförmige Berge zu sehen, die bis zu 3500 Meter hoch sind. Hier kommt offenbar die aus Wassereis bestehende feste Kruste von Pluto zum Vorschein, da gefrorenes Kohlenmonoxid, Stickstoff oder Methan auch bei der Oberflächentemperatur von Pluto von im Mittel –230 Grad Celsius zu weich sind, um aus ihnen Berge aufzutürmen.
Wie diese Oberflächenformen in "Sputnik Planum" zu Stande kommen, ist noch rätselhaft. Die Forscher von New Horizons spekulieren darüber, ob vielleicht eine Schrumpfung bei der Abkühlung der Oberfläche für die Bildung der trennenden Gräben und Hügel verantwortlich sein könne – ähnlich wie bei Schlamm, der in der Sonne eintrocknet. Eine andere Möglichkeit wären sich langsam bewegende Eisströme, die durch Konvektion angetrieben werden. Dabei sorgt die geringe aus dem Inneren von Pluto austretende Wärme für den Antrieb der Strömungen.
Aber es sind nicht nur Ergebnisse der Kameras an Bord von New Horizons veröffentlicht worden. Mit dem Instrument PEPSSI, dem "Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation", einem Massenspektrometer, konnten schon fünf Tage vor dem Vorbeiflug an Pluto aus rund sechs Millionen Kilometer Entfernung die ersten Stickstoffionen aus der dünnen Atmosphäre von Pluto nachgewiesen werden. Plutos Atmosphäre ist sehr dünn, besteht fast ausschließlich aus molekularem Stickstoff und übt einen Druck von weniger als einem millionstel Bar auf die Oberfläche des Zwergplaneten aus. Wegen der geringen Schwerkraft von Pluto, die nur rund sechs Prozent der irdischen beträgt, kann er seine Atmosphäre nicht auf Dauer festhalten. Somit verliert der Zwergplanet rund 140 Kilogramm Stickstoff pro Sekunde in den umgebenden Weltraum.
Der Stickstoff wird durch ultraviolette Strahlung der Sonne in seine Atome gepalten und dabei elektrisch aufgeladen, also ionisiert. Er tritt daraufhin in Wechselwirkung mit dem Sonnenwind, einem von der Sonne ausgehenden Strom aus Ionen. Dabei bildet sich eine Bugstoßwelle vor dem Planeten, wo die schnellen Partikel aus dem Sonnenwind abgebremst und um den Zwergplaneten herum abgelenkt werden. Außerdem sorgt der Druck des Sonnenwinds dafür, dass der von Pluto abströmende Stickstoff einen langen Schweif bildet, der sich über mehrere Millionen Kilometer hinter dem Zwergplaneten erstreckt. In dieser Hinsicht ähnelt Pluto einem riesigen Kometen, und vergleichbare Schweife wurden auch schon bei der Venus und dem Mars nachgewiesen.
Mit dem Ultraviolettspektrometer Alice ließ sich beobachten, wie sich durch die Bewegung der Sonde Pluto vor die Sonne schob und diese dabei für einige Minuten völlig bedeckte. Bei dieser Untersuchung sollte die Atmosphäre des Zwergplaneten im Detail erfasst werden. Schon gut vier Minuten bevor die Sonne hinter Pluto verschwand, machte sich dessen Gashülle durch die Verringerung der ultraviolettten Intensität bemerkbar. Das entspricht einem Abstand von rund 1600 Kilometern. Von der Erde aus durchgeführte Untersuchungen hatten dagegen die Plutoatmosphäre nur bis zu einem Abstand von zirka 270 Kilometern nachweisen können. Durch die geringe Schwerkraft des Zwergplaneten ist die Gashülle so stark ausgedehnt. Die Daten von Alice weisen außerdem darauf hin, dass die Atmosphäre eher ruhig ist und keine großen Turbulenzen aufweist. Auch beim größten Plutomond Charon wurden solche Messungen von Alice durchgeführt, die Daten sind aber noch nicht veröffentlicht.
Am Abend des 20. Juli 2015 wurde die Übertragung von Bilddaten von New Horizons vorläufig unterbrochen, um den Messdaten der anderen Instrumente Vorrang zu geben. Erst Mitte September 2015 wird es erneut Bilder von Pluto geben. Für Freitag, den 24. Juli 2015, plant die NASA eine Veröffentlichung weiterer Bilder, danach sind erst einmal die Wissenschaftler am Zug. Im Spätherbst dürften die ersten wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu den Ergebnissen des Plutovorbeiflugs erscheinen, auf die man gespannt sein darf.
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben