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Zwergplanet Pluto: Vorstoß zu Pluto

Nach mehr als neun Jahren Flug wird am 14. Juli 2015 die US-Raumsonde New Horizons dem Zwergplaneten Pluto und seinen fünf bekannten Monden einen kurzen, aber intensiven Besuch abstatten. Die Spannung bei den Planetenforschern ist auf jeden Fall groß, da nur sehr wenig über diese Himmelskörper bekannt ist.
Im Anflug auf Pluto (künstlerische Darstellung)

Noch sind es nur lichtschwache Punkte am Himmel, aber Mitte Juli 2015 werden wir Pluto und seine fünf Begleiter im Detail kennen lernen. Rund fünf Milliarden Kilometer, also rund die 33-fache Entfernung Erde–Sonne, musste die US-Raumsonde New Horizons in neuneinhalb Jahren zurücklegen, um in die Nähe des eisigen Außenpostens unseres Sonnensystems zu gelangen. Mit Pluto wird in diesem Jahr bereits der zweite Zwergplanet aus der Nähe erkundet, denn schon seit März 2015 umrundet die US-Raumsonde Dawn den Zwergplaneten Ceres. Allerdings reicht die Antriebstechnik von New Horizons nicht aus, um in einen Orbit um Pluto einzuschwenken. Stattdessen müssen sich die Planetenforscher um Alan S. Stern vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Baltimore damit begnügen, Pluto und seine Trabanten in einem raschen Vorbeiflug zu erkunden. Tatsächlich erfolgt der Großteil der Messungen in einem eng begrenzten Zeitraum von zwei Tagen um den 14. Juli 2015. Auch die besten Bilder können nur in dieser kurzen Zeitspanne aufgenommen werden.

24 Stunden Pluto

Schon im Januar 2015 wurde New Horizons aus ihrem künstlichen Winterschlaf, in dem sie sich während der meisten Zeit ihrer Reise befand, endgültig aufgeweckt. Diese Hibernation diente einerseits dazu, die Geräte und Ressourcen an Bord zu schonen, aber andererseits half sie auch, Personal in beträchtlichem Umfang einzusparen. Damit konnten die Kosten der Mission deutlich verringert werden. Seit ihrer Aktivierung beobachtete New Horizons Pluto aus der Ferne. Allerdings waren die Bilder aus der frühen Annäherungsphase noch deutlich schlechter aufgelöst als diejenigen des Weltraumteleskops Hubble (HST). Erst Mitte Juni übertrafen die Aufnahmen der Kamera LORRI, dem Long Range Reconnaissance Imager, deutlich die Bilder vom HST in ihrer Schärfe.

Pluto und seine fünf Monde | Das System des Zwergplaneten Pluto besteht aus sechs Himmelskörpern: Pluto und Charon bilden ein enges Paar in der Mitte, das von den vier kleinen Monden Nix, Hydra, Kerberos und Styx umrundet wird. Das Bild stammt vom Weltraumteleskop Hubble.

Die Zielsetzungen von New Horizons

Die Hauptaufgabe von New Horizons ist es, Pluto und seine fünf Begleiter erstmals im Detail zu charakterisieren. Der von dieser Mission zu erwartende Datensatz wird für viele Jahrzehnte das Referenzmaterial zum Plutosystem sein, denn nachfolgende Missionen sind derzeit auch auf lange Sicht nicht geplant. New Horizons soll die Oberflächen von Pluto und seinem bei Weitem größten Mond Charon möglichst vollständig erfassen und somit erste Einblicke in die Geologie und die Morphologie der Oberflächen ermöglichen. Dabei soll die chemische Zusammensetzung beider Oberflächen qualitativ und quantitativ ermittelt werden. Auch die dünne, überwiegend aus Stickstoff bestehende Atmosphäre von Pluto ist ein wichtiges Studienobjekt der Mission. Hier soll die Sonde Ausschau halten nach der Zirkula­tion der Gashülle und eventuellen Wolkenbildungen oder Dunstschichten.

New Horizons soll Teile der Oberflächen von Pluto und Charon dreidimensional in hoher räumlicher Auflösung untersuchen und mögliche geologische Aktivitäten aufspüren. Es wird nämlich vermutet, dass es auf Pluto vielleicht, ähnlich wie auf dem Neptunmond Triton, zu Ausbrüchen von Stickstoffgas aus der Oberfläche kommt, die sich als Wolken über der Oberfläche zeigen könnten. Zudem soll die Frage geklärt werden, ob Charon vielleicht ebenfalls von einer dünnen Atmosphäre umgeben ist. Auch die vier kleinen Monde sollen in möglichst großem Detail erfasst werden. Die Planetenforscher möchten zudem ergründen, wie Pluto zu seinem im Verhältnis riesigen Mond Charon kam. Ereignete sich hier in der Jugend des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren eine gigantische Kollision, bei der Charon wie unser Erdmond aus den Trümmern der Kollision entstand? Sind vielleicht die vier kleinen Trabanten übrig gebliebene Zeugen dieser Katastrophe?

Der lange Weg zu Pluto

New Horizons startete am 19. Januar 2006 von Cape Canaveral in Florida. Die Sonde verließ die Erde mit einer Geschwindigkeit von 16 Kilometern pro Sekunde. Sie war damit das bislang schnellste Objekt, das jemals von unserem Heimatplaneten fortstrebte. Schon nach 13 Monaten Flug gelangte die Sonde in die Nähe des Riesenplaneten Jupiter und nutzte dessen Schwerefeld dazu, den Flug zu Pluto um rund drei Jahre zu verkürzen. Vor und nach dem Vorbeiflug machte New Horizons Hunderte von Bilder des Riesenplaneten und seiner vier großen Galileischen Monde; seitdem kam keine andere Sonde mehr in die Nähe von Jupiter. Nach der Jupiterpassage befand sich New Horizons überwiegend in Hibernation und wurde nur zu Testzwecken aktiviert. Dabei wurde auch immer wieder der Vorbeiflug an Pluto durchgespielt, um weit im Vorfeld des eigentlichen Vorbeiflugs eventuelle Probleme zu identifizieren und zu beheben.

Pluto in Farbe | Die beiden Hemisphären von Pluto unterscheiden sich in der Größe und Anzahl der hellen und dunklen Flecken. Die Bilder sind Komposite aus hoch aufgelösten Schwarz-Weiß-Bildern und Farbdaten mit niedrigerer Auflösung. Sie entstanden am 25. beziehungsweise am 27. Juni 2015. Die auf dem linken Teilbild sichtbare Hemisphäre wird beim Vorbeiflug am 14. Juli 2015 der Sonde New Horizons zugewandt sein und im Detail fotografiert werden.

Da auf Grund der großen Entfernung zu Pluto nur wenig über diesen Himmelskörper bekannt ist, intensivierten die Astronomen die erdgebundene Erkundung des Zwergplaneten im Vorfeld der Mission und während des Flugs der Sonde. So wurden mehrere Beobachtungskampagnen mit dem Weltraumteleskop Hubble und terrestrischen Großteleskopen durchgeführt. Gezielt suchte man nach weiteren Trabanten jenseits des seit 1978 bekannten großen Monds Charon. Im Jahr 2005 vermeldeten die Astronomen einen ersten Erfolg: Sie hatten mit dem HST zwei kleine Monde aufgespürt, die den gemeinsamen Schwerpunkt des Pluto-Charon-Systems umrunden. Ihre Durchmesser werden auf etwa 50 bis 170 Kilometer geschätzt; hierüber werden wir durch New Horizons bald sehr viel Genaueres erfahren. Die Monde erhielten die Namen Nix und Hydra.

In den Jahren 2011 und 2012 spürte wiederum das HST zwei weitere Plutotrabanten auf. Mit geschätzten Durchmessern von 10 bis 40 Kilometern sind sie deutlich kleiner als Nix und Hydra. Sie wurden auf die Namen Kerberos und Styx getauft. Damit stieg die Anzahl der bekannten Monde um Pluto auf fünf. Alle Objekte im Pluto-Charon-System wurden nach Göttern aus der griechisch-römischen Sagenwelt um den Herrn der Unterwelt benannt.

Die Flugbahn von New Horizons durch das Sonnensystem | New Horizons benötigte nach ihrem Start im Januar 2006 neuneinhalb Jahre, um ihr Ziel Pluto zu erreichen. Im Februar 2007 passierte sie dabei den Riesenplaneten Jupiter.

Die Instrumente von New Horizons

New Horizons ist mit sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet, die insgesamt 31 Kilogramm wiegen und zusammen nur 30 Watt an elektrischer Leistung benötigen. Alle Instrumente sind fest mit dem Sondenkörper verbunden.

Alice ist ein abbildendes Ultraviolettspektrometer und soll vor allem die dünne Pluto­atmosphäre untersuchen. Das Instrument deckt einen Spektralbereich von 52 bis 180 Nanometern ab und erlaubt Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung.

Ralph ist eine Kombination aus einer Farbkamera und einem abbildenden Spektrometer. Beide Instrumente verwenden ein gemeinsames 7,5-Zentimeter-Teleskop und dienen vor allem der spektral hochauflösenden Erkundung der Oberflächen von Pluto und seinen Monden. Die Kamera verfügt über vier Farbkanäle und deckt einen Bereich von 450 Nanometern (blaues Licht) bis 1000 Nanometern (nahes Infrarot) ab. Das Spektrometer arbeitet im Infraroten im Bereich von 1250 bis 2500 Nanometern. Die Instrumente Alice und Ralph erhielten ihre Namen nach zwei Hauptfiguren einer US-Fernsehserie aus den 1950er Jahren. Es handelt sich also nicht um Akronyme.

LORRI, der Long Range Reconnaissance Imager, erkundet die Zielobjekte aus großer Entfernung. Das Gerät besteht aus einem 20,8-Zentimeter-Spiegelteleskop. Der Arbeitsbereich von LORRI liegt im Spektralbereich von 350 bis 850 Nanometern und erstreckt sich somit vom nahen Ultraviolett bis ins nahe Infrarot. LORRI wird die schärfsten Bilder von Pluto, Charon und den vier weiteren Monden liefern, allerdings nur in Schwarz-Weiß.

PEPSSI, die Pluto Energetic Particle Spectrometer Science Investigation, untersucht das nähere Umfeld von Pluto und Charon im Hinblick auf die Zusammensetzungen von Atmosphäre und Ionosphäre. Es handelt sich um ein Massenspektrometer, das die Konzentrationen von Elektronen und Protonen sowie von geladenen Atomen und Molekülen, also Ionen, misst.

Mit SWAP, Solar Wind around Pluto, sollen die Wechselwirkungen des Sonnenwinds mit Plutos Atmosphäre und Ionosphäre sowie einem eventuell vorhandenen Magnetfeld um den Zwergplaneten untersucht werden.

SDC, der Student Dust Counter, misst die Anzahl und die Größe von Staubpartikeln im Umfeld von Pluto und seinen Begleitern. Das Gerät wurde von Studenten amerikanischer Hochschulen gebaut, die das Instrument auch während der Mission betreuen.

REX, das Radio Experiment, verwendet den Bordempfänger für seine Messungen. Während der Passagen an Pluto und Charon wird von der Erde aus ein starker Radiosender mit einer reinen Trägerwelle auf die Sonde gerichtet. Auf Grund der Bewegung der Sonde in den Schwerefeldern der Zielkörper kommt es zu charakteristischen Frequenzverschiebungen durch den Dopplereffekt, die REX registriert. Aus diesen Daten lassen sich die Massen von Pluto und Charon mit hoher Genauigkeit ermitteln. Auch wenn die Erde von New Horizons aus gesehen von Pluto und später von Charon bedeckt wird, werden so genannte Okkultationsmessungen durchgeführt. Hiervon erhoffen sich die Forscher Aufschluss über die Zusammensetzung, Dichte und Struktur von Plutos Atmosphäre.

Während der Anflugphase behielt die Kamera LORRI das Pluto-Charon-System ständig im Blick. Dabei wurde auch nach weiteren, bislang unbekannten Begleitern gesucht. Zudem dienen diese frühen Aufnahmen dazu, die Bahn von New Horizons für den Vorbeiflug feinzutunen und unser Wissen über die Positionen und Bahnbewegungen der Objekte im Pluto-Charon-System zu verfeinern. Ein besonderes Augenmerk brachten die Mis­sionskontrolleure der möglichen Existenz von Staubringen um Pluto entgegen, die eine Gefahr für die Raumsonde wären. Da sich New Horizons bei ihrem Vorbeiflug mit einer Geschwindigkeit von rund 14 Kilometern pro Sekunde relativ zu Pluto bewegt, könnte schon die Kollision mit einem millimetergroßen Staubkorn die Sonde schwer beschädigen oder sogar völlig zerstören. Die Vorstellung eines Ringsystems um Pluto ist nicht abwegig, denn erst kürzlich wurden um die Kleinkörper Chariklo und Chiron deutliche Hinweise auf dichte Staubringe entdeckt. Alle Beobachtungen mit dem HST oder irdischen Großteleskopen erbrachten aber keine Belege für Plutoringe.

Ab Mitte Juni 2015 übertrafen die Aufnahmen von New Horizons alle bisherigen Bilder, und auf ihnen wurden keine weiteren Monde oder Ringe entdeckt. Um ganz sicherzugehen, wird die Sonde wenige Stunden vor Eintritt in den Nahbereich des Zwergplaneten einen großen Teil der kurz zuvor aufgenommenen Bilder und Messdaten zur Erde funken. So werden selbst im Katastrophenfall zumindest einige Bilder mit hoher Auflösung von Pluto und Charon zur Verfügung stehen. Anfang Juli 2015 fiel die Entscheidung von Seiten der NASA, dass New Horizons auf der vorgeplanten Bahn das Plutosystem durchfliegen wird. Auf ein Schubmanöver des Bordantriebs zur Bahnänderung am 4. Juli 2015 wurde also verzichtet.

Der Anflug auf den Zwergplaneten

Mit der Aktivierung von New Horizons Anfang Januar 2015 begann die erste von sieben wichtigen Missionsphasen um den eigentlichen Vorbeiflug. Die erste Annäherungsphase (englisch: approach phase 1) dauerte bis zum 4. April. Dabei verringerte sich der Abstand zu Pluto von 226 Millio­nen auf 121 Millionen Kilometer, entsprechend dem 1,5-fachen bis 0,8-fachen Abstand Erde–Sonne. Jeden Tag näherte sich New Horizons ihrem Ziel um 1,2 Millio­nen Kilometer an, also etwa die dreifache Entfernung Erde–Mond. Während dieser Zeit wurden nur in Abständen von Tagen bis Wochen Bilder von Pluto und seinen Monden aufgenommen, die hauptsächlich der optischen Naviga­tion dienten.

Am 4. April 2015 begann die zweite Annäherungsphase, die bis zum 23. Juni dauerte. Dabei veringerte sich der Abstand zum Zwergplaneten von 121 Millionen auf 26 Millionen Kilometer. In diesem Zeitraum wurden die Untersuchungen der Zielobjekte stark intensiviert. Am 15. April 2015 erreichten die Bilder von Pluto und Charon eine räumliche Auflösung von 540 Kilometer pro Bildpunkt. Pluto hatte auf ihnen also einen Durchmesser von nur etwa vier bis fünf Pixeln. Durch eine spezielle Bildverarbeitung, eine Dekonvolution, ließen sich auf diesen Aufnahmen erstmals Andeutungen von Oberflächenstrukturen erkennen. Unter anderem zeigt sich eine helle Fläche am Südpol von Pluto – vielleicht eine Polkappe aus Stickstoffeis?

Die Sonde erfasste in dieser Phase Pluto und seine Monde erstmals spek­troskopisch mit den Bordinstrumenten und nahm auch erste Farbbilder der Objekte auf. Zudem halten die Forscher Ausschau nach Signalen der dünnen, hauptsächlich aus Stickstoff bestehenden Plutoatmosphäre. Ende Mai 2015 erreichten die Aufnahmen der hochauflösenden Kamera LORRI eine Auflösung von 265 Kilometern pro Bildpunkt.

Am 23. Juni 2015 begann die dritte und letzte Annäherungsphase, die unmittelbar an den Zeitraum um die dichteste Annäherung heranreicht. In dieser Zeit verringert sich der Abstand zu Pluto von 26 Millionen auf 1,2 Millionen Kilometer. Dieser Missionsabschnitt ist gekennzeichnet durch die Übermittlung von Aufnahmen der Objekte im Plutosystem, welche die Auflösung der besten erdgebundenen Teleskope und des Weltraumteleskops Hubble übertreffen.

Noch bis zum 24. Juni 2015 überblickte LORRI das gesamte Plutosystem in einer einzigen Aufnahme, die Auflösung erreichte zu diesem Zeitpunkt rund 120 Kilometer pro Bildpunkt. Pluto erstreckte sich auf diesen Bildern über rund 20 Pixel, Charon über etwa 10 Pixel. Die dritte Annäherungsphase endet am 12. Juli 2015 und markiert den Beginn der 48-stündigen near encounter phase. Die größte Annäherung an Pluto wird am 14. Juli 2015 erreicht werden.

Jetzt wird es ernst

Die near encounter phase, also der Zeitraum der größten Annäherung, beginnt, wenn die Entfernung zu Pluto 1,2 Millionen Kilometer unterschreitet. Den derzeitigen Plänen zufolge soll New Horizons am 14. Juli 2015 um 13:50 Uhr Bordzeit MESZ den geringsten Abstand zum Zwergplaneten erreichen. Dann trennen die Sonde 12 500 Kilometer von der Plutooberfläche. Bereits 14 Minuten später erfolgt mit 28 800 Kilometer die größte Annäherung an Charon. Allerdings benötigen die Funksignale der Sonde 4 Stunden und 30 Minuten, um die Erde zu erreichen.

Die Instrumente von New Horizons | Die Raumsonde New Horizons ist mit sieben unterschiedlichen wissenschaftlichen Ins­trumenten zur Untersuchung von Pluto und seinen Trabanten ausgestattet.

Nur in einem Zeitraum von 2 Stunden um die größte Annäherung wird Pluto das Gesichtsfeld der Kamera LORRI vollständig ausfüllen. Alle Bilder der größten Annäherung werden wegen der langsamen Rotation des Systems nur jeweils eine Hemisphäre von Pluto und Charon erfassen. Die besten Übersichtsbilder werden Auflösungen von rund 400 Metern pro Bildpunkt erreichen. Detailaufnahmen von kleinen Ausschnitten der Plutooberfläche werden Objekte bis herab zu einer Größe von rund 35 Metern enthüllen.

Die jeweils anderen Hemisphären lassen sich rund drei Tage vor Erreichen des geringsten Abstands mit einer Auflösung von rund 38 Kilometern pro Bildpunkt fotografieren. Pluto und Charon rotieren doppelt gebunden, das heißt, sowohl der Hauptkörper als auch sein größter Mond wenden sich gegenseitig immer die gleiche Seite zu. Somit rotieren Pluto und Charon jeweils in 6,4 Tagen einmal um ihre Achsen, während sie in der gleichen Zeit ihren gemeinsamen Schwerpunkt umrunden. Die besten Aufnahmen der vier Kleinmonde werden Auflösungen von jeweils wenigen Kilometern pro Pixel erreichen. An Nix wird New Horizons bis auf etwa 21 000 Kilometer herankommen, an Hydra rund 75 000 Kilometer.

Der allergrößte Teil der während der near encounter phase gewonnenen Messdaten und Bilder wird in zwei Massenspeichern mit je acht Gigabyte Kapazität an Bord der Sonde gespeichert und erst nach und nach in den Wochen und Monaten nach dem Vorbeiflug zur Erde gefunkt. Dies geschieht mit einer maximalen Datenübertragungsrate von 1024 Bit pro Sekunde (128 Byte pro Sekunde). Solche Werte erinnern an die Frühzeit der Computerkommunikation mittels Telefonmodem. Somit wird New Horizons bis zum Jahresende 2016 Daten zur Erde übertragen, wenn Pluto schon wieder in weite Ferne gerückt sein wird.

Für den Datenempfang muss die NASA wegen der großen Entfernung die 70-Meter-Antennen des Deep Space Network einsetzen – es sind die weltweit leistungsstärksten Empfangsanlagen. Allerdings stehen die 70-Meter-Antennen nicht rund um die Uhr zur Verfügung, da sich das Deep Space Network auch um andere Planetenmissionen in den Tiefen des Sonnensystems kümmern muss. Dies trägt ebenfalls zur langen Übertragungszeit bei.

Zum Glück müssen wir aber nicht Wochen auf die Bilder von Pluto und seinen Monden warten, denn ein kleinerer Teil der Daten wird schon wenige Stunden nach der größten Annäherung zur Erde gefunkt. Rund eine Woche nach der Passage am 14. Juli 2015 dürften rund zwei Dutzend Bilder des Plutosystems zur Verfügung stehen. Das Wissenschaftlerteam von New Horizons hat versichert, es beabsichtige, die Bilder so schnell wie möglich zu veröffentlichen, da das Interesse an diesem "Neuland des Sonnensystems" riesig ist.

Der Abschied vom Zwergplaneten

Schon am 15. Juli 2015 überschreitet der Abstand der Sonde von Pluto wieder 1,2 Millionen Kilometer, nun beginnt die dreiteilige departure phase. Im ersten dreiwöchigen Abschnitt vom 15. Juli bis zum 4. August erhöht sich der Abstand zu Pluto von 1,2 Millionen auf 24 Millionen Kilometer. In dieser Zeitspanne blickt die Sonde mit LORRI auf Pluto für die Dauer einer gesamten Rotationsperiode des Systems zurück und untersucht mit den Instrumenten SWAP und PEPSSI den Schweif eines möglichen Magnetfelds. Mit dem Instrument REX sollen die Temperaturen auf der Nachtseite von Pluto und Charon bestimmt werden. Da sich nun das Pluto-Charon-System im Gegenlicht beobachten lässt, nutzen die Forscher die Gelegenheit, nochmals nach Ringen um Pluto Ausschau zu halten. Durch das an den Ringpartikeln reflektierte Licht würden die Ringe dann besonders hell erscheinen, wenn es sie denn gibt.

Ein glatter Durchschuss durch die Zielscheibe | Wegen der großen Neigung des Plutosystems gegen seine Umlaufebene um die Sonne durchdringt New Horizons die Umgebung des Zwergplaneten wie eine Kanonenkugel die Zielscheibe. Die Sonde bewegt sich mit rund 50 000 Kilometer pro Stunde relativ zu Pluto. Am 14. Juli um 13:50 Uhr MESZ wird der geringste Abstand zu Pluto erreicht, schon 14 Minuten später folgt Charon. Kurz nach Erreichen der geringsten Abstände zu Pluto und Charon durchfliegt New Horizons deren Schatten. Außerdem wird die Sonde von der Erde aus gesehen von beiden Himmelskörpern für wenige Minuten bedeckt. Mittels zur Erde gesandter Funkwellen sollen dabei die Atmosphären von Pluto und eventuell auch Charon im Detail untersucht werden.

Die zweite Phase beginnt am 5. August und dauert bis zum 22. Oktober, dabei erhöht sich der Abstand zu Pluto von 24 Millio­nen auf 119 Millionen Kilometer. In dieser Zeit ist die Raumsonde hauptsächlich damit beschäftigt, die an Bord gespeicherten Messdaten des Vorbeiflugs nach und nach zur Erde zu übertragen. Nur noch gelegentlich wird New Horizons Bilder vom zurückbleibenden Zwergplaneten machen. In der dritten und letzten Phase vom 22. Oktober 2015 bis zum 1. Januar 2016 vergrößert sich der Abstand zu Pluto von 119 Millionen auf 203 Millionen Kilometer. Für diese Zeit sind keine Beobachtungen des Zwergplaneten mehr geplant. Nun soll die Sonde vor allem auf die Annäherung an einen weiteren kleinen Himmelskörper im Kuipergürtel vorbereitet werden.

Wie geht es weiter?

Mittels einer ausgedehnten Suche mit dem Weltraumteleskop Hubble wurde das entsprechende Raumvolumen, das sich mit New Horizons nach dem Pluto-vorbeiflug erreichen lässt, nach einem oder mehreren Zielobjekten durchmustert. Schließlich konnten die Astronomen drei kleine Kuipergürtelobjekte ausmachen, welche für die Sonde geeignet schienen. Sie erhielten die Bezeichnungen PT 1 bis PT 3; PT steht für potential target (englisch: mögliches Ziel). Sie umrunden die Sonne in einem mittleren Abstand von 44 As­tronomischen Einheiten und haben Durchmesser zwischen 30 und 55 Kilometer.

Nachfolgende Untersuchungen zeigten, dass sich PT 2 doch nicht mit New Horizons ansteuern lässt. Hierfür wäre ein größeres Schubmanöver nötig, wofür aber an Bord der Sonde nicht mehr genügend Treibstoff zur Verfügung steht. Die Entscheidung für PT 1 oder PT 3 wird im August 2015 nach dem Plutovorbeiflug fallen.

Soll PT 1 angeflogen werden, so würde New Horizons am 1. Dezember 2015 ein Schubmanöver mit dem Bordantrieb durchführen und seine Geschwindigkeit um rund 60 Meter pro Sekunde erhöhen. Dann würde die Sonde am 2. Januar 2019 in einem Abstand von wenigen tausend Kilometern an PT 1 vorbeifliegen. Dabei würde die Sonde Bilder und Messdaten aufnehmen, wobei aussagekräftige Daten auch nur in einem kurzen Zeitraum von wenigen Stunden um die größte Annäherung anfielen.

Entscheiden sich die Missionskontrolleure dagegen für das Objekt PT 3, dann würde das Schubmanöver bereits am 1. Oktober 2015 durchgeführt und die Sonde um rund 115 Meter pro Sekunde beschleunigen. Die Passage des Zielobjekts würde dann am 15. März 2019 erfolgen. Während des Anflugs bis zum zweiten Vorbeiflug wird sich New Horizons wieder überwiegend in Hibernation befinden.

Sollte New Horizons seine Plutopassage erfolgreich absolvieren, so wird dieser Zwergplanet neben Ceres zu den am besten erforschten Objekten seiner Klasse gehören. Auf jeden Fall wird es aufregend sein, diese Terra incognita am Rand unseres Sonnensystems zum ersten Mal kennen lernen zu dürfen.

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