Kognitionsforschung: Nie zu spät für soziale Kompetenz
Das menschliche Gehirn ist gewissermaßen plastisch, kann es sich doch ein Leben lang an neue Bedingungen anpassen. Ein Forscherteam vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig hat herausgefunden, dass dieser Effekt auch bei sozialen Fähigkeiten auftritt. Bisher war unklar, inwieweit solche neuronalen Veränderungen auch diejenigen Bereiche des Gehirns umfassen, die insbesondere unser Sozialverhalten steuern.
Für seine Arbeit entwickelte das Team drei unterschiedliche mentale Übungsmethoden: Das erste Modul trainierte die Achtsamkeit und Aufmerksamkeit, das zweite sozioaffektive Fähigkeiten wie Mitgefühl und Dankbarkeit. Im dritten Programm kultivierten die Teilnehmer ihre soziokognitiven Fertigkeiten, insbesondere die Fähigkeit zur Perspektivübernahme. Trainiert wurde jeweils eines der Module über mehrere Monate hinweg, sechs Tage die Woche à 30 Minuten. Anschließend untersuchten die Forscher trainingsbedingte Veränderungen der Probanden mit Hilfe von Verhaltenstests. Zudem bestimmten sie mit der Magnetresonanztomografie, ob sich die Übungen auf die neuronalen Strukturen der Teilnehmer ausgewirkt hatten.
Laut den Wissenschaftlern veränderten sich abhängig von der angewandten Trainingsmethode sowohl die Hirnstruktur in den assoziierten Bereichen als auch die dazugehörigen Verhaltensweisen. Probanden, die beispielsweise trainiert hatten, sich in andere hineinzuversetzen, schnitten in anschließenden Tests bezüglich dieser Fähigkeit besser ab als die Kontrollgruppe. Auch konnten die Forscher beobachten, dass sich die mit diesen sozialen Fertigkeiten assoziierten Bereiche im Gehirn verändert hatten, nicht jedoch die Areale, die etwa mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit in Verbindung stehen. Letztere wiederum veränderten sich aber bei ebenjenen Studienteilnehmern, die während des Trainings genau diese Fertigkeiten trainiert hatten. Auch in den damit assoziierten Hirnregionen zeigten diese Personen entsprechend veränderte neuronale Strukturen.
Die Befunde zeigen, dass kurzes und gezieltes tägliches mentales Training bei erwachsenen Menschen offenbar noch strukturelle Veränderungen des Denkapparats bewirken kann. Damit könne eine Steigerung der sozialen Intelligenz einhergehen, so die Forscher. Es ist also offenbar nie zu spät, Eigenschaften wie Empathie und Mitgefühl zu erlernen – zumindest sind die neuronalen Voraussetzungen dafür vorhanden.
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