Madagaskar: Niederländische Seefahrer nutzten Felspostsystem
Im 16. Jahrhundert beherrschten portugiesische Handelsschiffe die Seeroute nach Südostasien und somit auch den Gewürzhandel in die Niederlande. Doch diese Dominanz machten ihnen holländische Seefahrer mit Beginn des 17. Jahrhunderts streitig. Ein entscheidender Faktor dürfte hierbei der Informationsaustausch der Schiffsbesatzungen gewesen sein: Australische Archäologen haben jüngst in einer Bucht im Nordosten Madagaskars über 40 Felsinschriften von mindestens elf verschiedenen Schiffen aus der Anfangszeit der niederländischen Seefahrt im Indischen Ozean dokumentiert.
Meeresarchäologin Wendy van Duivenvoorde und ihr Kollege Mark Polzer von der Flinders University sowie die Felskunstspezialistin Jane Fyfe von der University of Western Australia beschreiben die über 40 in Fels gehauenen Botschaften als "frühes Postsystem": Seeleute meißelten ihre Nachrichten direkt in die Felsen an der Bucht von Antongil oder hinterließen dort in schützende Materialien eingewickelte Briefe. Wenn das nächste Schiff dort ankam, sollte dessen Besatzung auf die Felsnachrichten aufmerksam werden und die Briefe mitnehmen.
"Als niederländische Seefahrer Ende des 16. Jahrhunderts erstmals in Richtung "Batavia" – dem heutigen Jakarta – segelten, hatten sie keine Möglichkeit, über andere Schiffe mit ihren Heimat- oder Zielhäfen zu kommunizieren", erklärt van Duivenvoorde. Niederländische Seefahrer fuhren die Bucht von Antongil auf Madagaskar daher nicht nur zur Auffüllung der Frischwasservorräte an, mittels "Felspost" unterrichteten sie andere niederländische Besatzungen über Fahrtverlauf und Ankunftszeiten. Auch Selbstzeugnisse, meist Name und Datum, entdeckten die Forscher an den Felsen. Der älteste Beleg stammt aus dem Jahr 1601 – ein Jahr vor der Gründung der niederländischen Ostindien-Kompanie. Das Postsystem wurde gemäß der Datierung der Nachrichten mindestens weitere 56 Jahre genutzt.
Ein Eintrag belegt beispielsweise, dass das Schiff "Middelburg" am 10. April 1625 ohne Masten in die Bucht einlief sowie die Namen des Kaufmanns und der Schipper. Die Forscher fanden heraus, dass die Crew rund sieben Monate zur Reparatur auf Madagaskar ankerte – und doch nie in den Niederlanden ankam: Die "Middelburg" sank in einer Auseinandersetzung mit zwei portugiesischen Karacken nahe der Atlantikinsel St. Helena.
Bereits in den 1920er Jahren wurden einige der Inschriften auf Madagaskar entdeckt und später sogar in Reiseführern vermerkt. Eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung, bei der die Texte fotografiert, transkribiert, übersetzt und interpretiert werden, findet allerdings erst jetzt statt. "Die Felsnachrichten sind Regen, Wirbelstürmen und Pflanzenwachstum ausgesetzt. Auch wenn einige noch gut erhalten sind, ist ein Großteil mit der Zeit unlesbar geworden", so van Duivenvoorde. Ähnliche Felsnachrichtensysteme befinden sich am Kap der Guten Hoffnung und auf St. Helena.
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