News: Niederländisches Fernsehen fördert Leseleistung von Kindern
Neuere Studien legen komplexere Verhältnisse nahe. So gibt es beispielsweise Hinweise darauf, daß die Leseleistung eines Kindes mit der Intensität seines Fernsehkonsums zusammenhängt. Laut Prof. Schneider ist ein positiver oder gar kein Einfluß zu beobachten, wenn der tägliche Fernsehkonsum einen bestimmten Grenzwert, in der Regel zwei bis drei Stunden, nicht übersteigt. Wird dieser Wert überschritten, zeigen sich leicht negative Wirkungen, die dann intensiver werden, wenn ein Kind deutlich mehr als vier Stunden pro Tag vor dem Fernsehschirm verbringt. Diese Beobachtung gelte allerdings nur dann, wenn im wesentlichen Unterhaltungsprogramme konsumiert werden, nicht aber, wenn bevorzugt Informationsprogramme oder Sendungen mit pädagogischer Zielsetzung über die Mattscheibe flimmern.
Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang auch Besonderheiten der Fernsehausstrahlung. In manchen europäischen Ländern, zum Beispiel den Niederlanden, werden ausländische Filme durchgängig mit Untertiteln gezeigt. Daraus ergibt sich, wie in Langzeitstudien gezeigt wurde, unter anderem ein positiver Zusammenhang zwischen der Intensität des Fernsehkonsums und der Leseleistung.
In dem Projekt am Institut für Psychologie der Universität Würzburg sollen die gängigsten Annahmen zur Wirkung des Fernsehens für den deutschsprachigen Raum systematisch untersucht werden. Prof. Schneider wird Kindergartenkinder und Zweitklässler sowie deren Eltern einbeziehen. Zum einen wird die sprachliche Entwicklung der Kinder und ihre Lesekompetenz über mehrere Zeitpunkte erfaßt, zum anderen werden Informationen über den Fernsehkonsum und die Freizeitaktivitäten der Kinder eingeholt. An die 330 Kinder aus den Bereichen Würzburg und Bad Mergentheim sollen bei diesen Untersuchungen erfaßt werden.
"Im Unterschied zu früheren Arbeiten werden in unserer Studie nicht nur Fragebögen und Interviews eingesetzt. Mit speziellen Testverfahren können wir Veränderungen bei den relevanten Fähigkeiten sowie bei der Konzentration und Selbststeuerung der Kinder noch unmittelbarer erfassen", erläutert der Würzburger Psychologe. Er und seine Mitarbeiter gehen davon aus, daß sie im Laufe ihres Projekts einige wichtige Annahmen genauer als bisher überprüfen können.
Eine dieser Annahmen ist die Verdrängungshypothese, derzufolge durch das Fernsehen schulrelevante Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel das Lesen unterdrückt werden. Eine andere Hypothese vermutet einen Abbau der Konzentrationsfähigkeit, und die Förderhypothese schließlich geht davon aus, daß der Konsum von Informationssendungen die Sprach- und Lesekompetenzen fördert.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 17.11.1998
"Der kindliche Terminkalender"
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