Flüsse: Warum der Nil konstant nach Norden fließt
Der Nil gilt als der längste Fluss der Erde (auch wenn manche Hydrologen dies dem Amazonas zuschreiben). Doch seit wann er dies ist, darüber debattieren die Gelehrten schon eine ganze Weile. Claudio Faccenna von der Universität Rom und sein Team legen in »Nature Geoscience« eine Studie vor, die dem heutigen Flusslauf ein Alter von 30 Millionen Jahren zuschreibt – und damit deutlich mehr, als andere Thesen nahelegen. Seit dem Erdzeitalter des Paläogens strömt demnach zumindest das Wasser des Nils aus dem äthiopischen Hochland durch den heutigen Südsudan, durch Sudan und Ägypten ins Mittelmeer.
Andere Studien gehen bislang davon aus, dass dieser Lauf erst seit sechs bis acht Millionen Jahren etabliert ist. Für die Zeit kursierten zwei mögliche Szenarien: Im einen Fall entwässerten die Flüsse aus Äthiopien über das Kongobecken in den Atlantik, oder aber der Urnil floss durch das Syrte-Becken im heutigen Libyen in die Große Syrte und mündete damit weiter westlich ins Mittelmeer. Geologische Daten – etwa die Datierung von Sedimenten vor der Nilmündung und von Gesteinen im Hochland Äthiopiens – bezeugen jedoch, dass der Nil konstant Kurs nach Norden hielt.
Demnach stieg das Hochland vor 30 Millionen Jahren auf, als sich im Erdmantel darunter eine heiße Blase aus Gesteinsschmelze bildete, die zeitweise bis zur Erdoberfläche durchbrach: Die vulkanischen Gesteine dieses Gebirges stammen aus jener Zeit. Seitdem existiert dieser so genannte »Plume« unterhalb der ostafrikanischen Region und wölbt das Gebiet empor, weshalb es seine relative Höhe ziemlich konstant hält. Umgekehrt zieht der absteigende Ast der Mantelkonvektion die nördlich davon liegenden Bereiche beständig nach unten. Der dadurch entstehende Höhengradient sorgt dafür, dass der Nil ihm permanent folgt.
Bestätigt wird dies durch Sedimentdatierungen aus dem Mittelmeer, in denen sich Zirkonminerale finden, die vor 30 Millionen Jahren entstanden sind und aus Äthiopien stammen. Die Gesamtmenge an Sedimenten vor der Küste zu erfassen, ist allerdings nicht einfach: Während der Messinischen Salzkrise, als das Mittelmeer völlig ausgetrocknet war, grub der Nil tiefe Canyons in seine alten Ablagerungen. Eine Computermodellierung der regionalen Plattentektonik der letzten 40 Millionen Jahre stellte die Genese des Nils ebenfalls bis hin zu kleinen Details relativ exakt nach. Die Wissenschaftler wollen damit weitere Flusssysteme wie den Kongo oder den Jangtse untersuchen und deren Geschichte aufklären.
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