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Klima: Nix Senke

Die Hoffnung war groß, dass die ausgedehnten Waldflächen Sibiriens, Skandinaviens und Nordamerikas den Treibhauseffekt mindern würden, indem sie das Treibhausgas Kohlendioxid in Stamm und Grün binden. Doch sie wankt - mehrere Langzeituntersuchungen deuten inzwischen darauf hin, dass die Senke sogar zur Quelle werden könnte. Jenaer Forscher untermauern die Befürchtung.
Was tun gegen den Treibhauseffekt? Klimagas-Emissionen senken, lautet die schlichte Antwort. Nur: Wie das möglichst effektiv erreicht werden kann, dafür gibt es bislang keine simple Lösung. Schließlich fehlen im komplexen Puzzle Klimageschehen immer noch zu viele Teile, geschweige denn präsentiert sich ein erstes einigermaßen klares Bild. An welcher Ecke also lohnt es sich besonders anzusetzen?

Dazu müssten wir auch erst einmal verstehen, wie wohl unsere Umwelt auf die steigenden Kohlendioxidgehalte reagiert. Für Pflanzen wirkt das Treibhausgas wachstumsfördernd. Und da sie es in ihren "Körpern" teilweise langfristig binden – bis die Zersetzung nach dem Tod es wieder verfügbar macht –, sollten sie eigentlich ein prima Speicher für das unerwünschte CO2 darstellen. Hoffnungsvolle Blicke richteten sich auf die riesigen Waldgebiete der borealen Breiten Asiens, Europas und Nordamerikas, die als regelrechte Puffergürtel gegen den Klimawandel wirken sollten.

Doch Pustekuchen: Wälder, so zeigt sich nun einmal wieder, werden nicht die große Aufgabe erfüllen, die ihnen zugedacht wurde. Zwei Langzeitprojekte in Sibirien, deren erste Ergebnisse nun vorliegen, untermauern, dass die sibirische Taiga Kohlendioxid nicht schlucken, sondern sogar zusätzlich ausspucken wird.

So haben Forscher um Christiane Schmullius von der Universität Jena im internationalen Siberia-II-Projekt anhand von Satellitendaten Landnutzungs- und Vegetationskarten erstellt und dann über Jahre hinweg die Tau- und Wachstumsperiode verfolgt. Sie bestätigten, dass auf Grund der gestiegenen Durchschnittstemperaturen der Frühling früher einsetzt, sich die Vegetationsperiode also verlängert hat.

"Dass große Waldgebiete wie die sibirische Taiga als riesige Kohlenstoffsenken fungieren und maßgeblich helfen, Treibhausgase aus der Luft zu ziehen, können wir nicht bestätigen"
(Christiane Schmullius)
Länger wachsen heißt mehr Kohlendioxid verwerten, könnte man daraus schließen – der Speicher funktioniert doch. Mitnichten: Im ebenfalls früher auftauenden und auch sich stärker erwärmenden Boden wird seinerseits mehr organischer Kohlenstoff abgebaut und so wieder CO2 freigesetzt. Dazu kommt, dass in ausgedehnten Überschwemmungsgebieten nach der Schneeschmelze Mikroorganismen unter Luftabschluss Methan produzieren, ein ebenfalls sehr wirksames Treibhausgas. Und da immer ausgedehntere Gebiete auftauen, muss auch mit mehr Methan gerechnet werden. In der Gesamtbilanz also ein dickes Plus für die Treibhausgase und damit ein ebenso dickes Minus fürs Klima.

Nicht ganz so weit in die Höhe begaben sich ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, die im Rahmen des ebenfalls internationalen TCOS-Siberia-Projektes ebenfalls eine Kohlenstoffbilanz für die sibirischen Wälder und Steppen zu erstellen suchten. Mit Messflügen im 14-tägigen Rhythmus und Messtürmen an neun Standorten erfassten sie ständig die Kohlendioxidkonzentrationen in verschiedenen Höhen, um den Stofffluss zu verfolgen.

Messturm | Messturm in Cherskii auf einer Schwemmlandinsel des Kolyma-Flusses in Nordostsibirien
Und auch hier zeigt sich: Die borealen Wälder sind keine gute Senke. Laut Projektleiter Martin Heimann speichern sie nicht einmal ein Fünftel der fossilen Kohlendioxid-Emissionen der Russischen Föderation. Zudem schwanken die Werte auf Grund der Wald- und Steppenbrände stark. Nur die angrenzenden Grasländer und Steppen legten tatsächlich einen guten Teil des Treibhausgases in ihren Pflanzen fest.

Beide Studien bieten nun die Möglichkeit, Daten wie zu Grunde liegende Modelle auch in anderen ausgedehnten Waldregionen wie dem Norden Amerikas zu testen. Und sie machen dem Kyoto-Protokoll das Instrument der Aufforstung streitig – schließlich sollten Staaten entsprechende Projekte unter bestimmten Bedingungen auf ihre Treibhausgasbilanz anrechnen dürfen – positiv, versteht sich. Doch diese Posten stünden offensichtlich zu Unrecht auf der Haben-Seite.

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