News: Nord-Süd-Konflikt
Zu den kompliziertesten Prozessen, die in einer numerischen Klimamodellierung zugrunde liegen, gehört der Wärmefluss in den Ozeanen. Da die Meere viel bessere Wärmespeicher darstellen als die Landmassen, werden die durchschnittlichen Temperaturen auf den Kontinenten demnach stärker ansteigen. Und da ein Großteil der Landmassen auf der Nordhalbkugel liegt, prognostizieren diese Modelle, dass die Lufttemperaturen in den hohen Lagen nördlicher Breite stärker ansteigen als in den südpolaren Regionen, wo die großen Ozeane die ansteigenden Temperaturen abpuffern. Dies zeigt sich dann auch typischerweise im unterschiedlichen Abschmelzen der polaren Eismassen. Während sich das nordische Eis alle zehn Jahre um etwa 2,8 Prozent zurückzieht, bleibt die Ausdehnung der südpolaren Eismassen stabil.
Es gibt einzig ein Problem: In den Aufzeichnungen der vergangenen 1000 Jahre gibt es keine Hinweise darauf, dass sich der Norden heftiger erwärmt als der Süden.
Auch die erste Version des Canadian Global Coupled Model (CGCM) der beiden Meteorologen Greg Flato und George Boer vom Canadian Centre for Climate Modelling and Analysis der University of Victoria ergab diese ungleichmäßige Verteilung zwischen den hohen Breiten des Nordens und des Südens. Und so konzentrierten sich die Forscher bei ihrem neuen CGCM2-Modell auf die grundlegenden Mechanismen des Wärmetransports in den Ozeanen (Geophysical Research Letters vom 1. Januar 2001).
Prinzipiell kann man zwischen zwei Ansätzen unterscheiden. Im einen Fall erfolgt der Wärmetransport in horizontaler und in vertikaler Richtung durch Diffusion, im anderen Fall wird er durch unterschiedliche Wasserdichten und -strömungen gesteuert. Das diffusionskontrollierte CGCM1-Modell führte dazu, dass es zu einem erhöhten Wärmetransport in nördliche Breiten kam, während sich der südliche Ozean besonders tiefgreifend durchmischte. Das Modell hatte somit den Anstieg der Lufttemperatur in den arktischen Regionen überschätzt, in den antarktischen hingegen unterschätzt. Erst als die Forscher mit ihrem Nachfolgermodell CGCM2 in der Lage waren, den Wärmetransport realistischer abzubilden, stimmten die berechneten Daten viel besser mit den historischen Aufzeichnungen überein.
Und die Eismassen? Steht die offenbar stärkere Erwärmung der südpolaren Regionen noch im Einklang mit den Satellitendaten, die keinerlei Rückzugstendenzen der antarktischen Eismassen anzeigen? Sowohl CDCM1 als auch CGCM2 kommen diesbezüglich zu dem gleichen Ergebnis. Beide Modelle prognostizieren einen Rückzug des arktischen Eises, während sich in den südpolaren Regionen keine Veränderungen ergeben – trotz der dort höheren Temperaturen. Die Forscher warnen deshalb davor, die globale Erwärmung allein aus der Geschwindigkeit des Eisrückzuges abzuleiten. Ihrer Meinung nach wird der zukünftige Anstieg der Temperaturen in beiden Polarregionen ganz ähnliche Dimensionen haben. Sie schätzen, dass es hier in den nächsten 50 bis 60 Jahren um bis zu fünf Grad Celsius wärmer wird. Und das wird sicherlich auch für die südlichen Eismassen nicht ohne Folgen bleiben.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 20.12.2000
"Antarktische Hitzewellen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 19.12.2000
"Es schmilzt, es schmilzt nicht, es schmilzt, ..."
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Brennpunkt-Thema vom 11.10.2000
"Gas hinter Gittern" - Spektrum der Wissenschaft 11/98, Seite 80
"Das Klima der Zukunft"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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