Notfallmedizin: Seepocken-Kleber stillt Blutung in Sekunden
Normalerweise stoppt eine Blutung von selbst, wenn das Blut gerinnt und so die Wunde verschließt. In Fällen, in denen dafür die Zeit nicht reicht oder sich wegen Blutgerinnungsstörungen kein Gerinnsel bildet, könnte ein spezieller Kleber Abhilfe schaffen. Er funktioniert nach demselben Prinzip, das es Seepocken erlaubt, sich in der Meeresbrandung an Felsen zu heften.
Wenn sich eine Seepocke unter Wasser an den Stein klebt, produziert sie zunächst eine ölige, Wasser abweisende Substanz, um die Oberfläche wasserfrei zu bekommen. Dann setzt sie ein Protein frei, das Stein und Körperunterseite verbindet. Diesen zweistufigen Vorgang haben Hyunwoo Yuk und Jingjing Wu vom Massachusetts Institute of Technology und ihr Team nun imitiert. Wie, haben sie in einem Artikel im Fachmagazin »Nature Biomedical Engineering« erläutert.
Demnach nutzen sie für den eigentlichen Kleber Mikropartikel, die sich untereinander und mit dem Körpergewebe vernetzen. Die Partikel wiederum betteten sie in eine ebenfalls stark wasserabweisende Matrix aus Fettsäuren ein. Diese vertreibt alles Blut vom Gewebe und macht die Unterlage damit sauber, was es den Mikropartikeln ermöglicht, ihre Haftkraft zu entfalten.
In Tests hätten sie mit dem Kleber, der als Paste aufgetragen wird, auch starke Blutungen in weniger als 15 Sekunden gestillt, schreiben die Fachleute. Der Wundverschluss habe dabei sogar dem hohen Blutdruck in der Hauptschlagader von Schweinen standgehalten.
Wenn es schnell gehen müsse, würden Blutungen derzeit durch Gabe von gerinnungsfördernden Wirkstoffen gestoppt, doch selbst dann würden oft noch Minuten vergehen, bis kein Blut mehr austritt. Zudem funktioniert das bisherige Standardverfahren nicht richtig bei Personen, die eine Blutgerinnungsstörung haben oder deren Blutgerinnung durch Medikamente herabgesetzt ist. Vor allem in solchen Fällen könne sich der Kleber anbieten, schreibt das Team. Auch bei schweren inneren Blutungen, wie sie in der Notfallmedizin beispielsweise nach einem Unfall auftreten, könnten Ärztinnen und Ärzte die Paste nutzen.
Binnen weniger Wochen baue der Körper die klebenden Mikropartikel ab, heißt es in der Studie. Bislang befindet sich der Kleber aber im Entwicklungsstadium. Bis zu einer Zulassung durch die Behörden dürfte noch einige Zeit vergehen.
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