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News: Notoperationen für Organtransplantationen bald überflüssig?

Japanische Forscher fanden eine neue Technik zur längerfristigen Lagerung menschlicher Organe, die für Transplantationen benötigt werden. Die entscheidenden Anhaltspunkte lieferten winzige Tierchen, die nach mehr als 120 Jahren wiederbelebt wurden. Ziel der Wissenschaftler ist, mit ihren Einlagerungsmethoden eine Organbank zu ermöglichen. Damit stünde die Qualität der Spenderorgane an erster Stelle und nicht mehr nur die Frische des Organs. Der immense Zeitdruck, der auf Transplantationen lastet, und die Hektik, um geeignete Organe direkt vom Spender auf den Operationstisch zu bringen, könnten dadurch vermieden werden.
Kunihiro Seki und seinen Kollegen an der Kanagawa University in Hiratsuka-shi, Japan, ist es gelungen, das Herz einer Ratte nach einer zehn Tage dauernden Lagerung wiederzubeleben. Gewöhnlich können Organe bis zur Transplantation nur 30 Stunden gelagert werden, für Herzen und Lungen beträgt die Zeitspanne sogar weniger als vier Stunden. Das Hauptproblem bei der Kühlung von Organen ist das Wasser. Es zerstört bei niedrigen Temperaturen die Zellmembranen. Will man dem Gewebe das Wasser entziehen, werden gewöhnlich ebensoviele Schäden verursacht.

Es ist bereits länger bekannt, daß Bärtierchen extreme Bedingungen aushalten können, indem sie den Großteil des Wassers in ihrem Körper abgeben. In diesem Zustand können sie ein Jahrhundert oder länger überleben. Man entdeckte dies per Zufall: Als Wasser auf ausgetrocknetes Moos gegeben wurde, das 120 Jahre lange in einem Museum aufbewahrt worden war, fand man kurze Zeit später dort eine Fülle von Bärtierchen. Um diese Meisterleistung im Überleben erbringen zu können, verwenden die Bärtierchen den Zucker Trehalose zur Stabilisierung der Struktur ihrer Zellmembranen. Seki und seine Gruppe vermuteten nun, daß der physiologische Mechanismus, der für die Konservierung und Wiederbelebung der Bärtierchen zuständig ist, auch auf Säugetierorgane übertragbar sein muß.

Die Forscher überprüften diese Annahme, indem sie Rattenherzen mit einer Trehalose-Lösung spülten und in Silicagel packten, um den Zellen das Wasser zu entziehen. Die Herzen wurden dann in Perfluorkohlenstoff eingetaucht, einer biologisch inerten Substanz, und bei 4 oC in luftdichten Gläsern gelagert. Zehn Tage später wurde die Herzen aus den Gläsern genommen und reanimiert. Schon nach 30 Minuten schlugen sie wieder. Nachfolgende Messungen der elektrischen Aktivität zeigten, daß die Herzzellen intakt überlebt hatten. Es ist anzunehmen, daß Trehalose und Perfluorkohlenstoff das Wasser in den Zellen ersetzen und so eine Gewebeschädigung verhindert wird.

Seki und seine Gruppe wollen das Experiment mit einer vollständigen Autopsie wiederholen, die bestätigen soll, daß das Gewebe intakt konserviert wurde. Außerdem planen sie, das Verfahren auch mit anderen Tierorganen durchzuführen und die Lagerung auf bis zu ein Jahr zu verlängern. Die Wissenschaftler hoffen, daß die Technik innerhalb weniger Jahre ausgereift ist, um für die Konservierung menschlicher Organe eingesetzt werden zu können.

Vanessa Morgan, Vorsitzende der UK Transplant Co-ordinators Association meint dazu: "Die Konsequenzen für Transplantationspatienten wären immens. Es könnte zu geplanten Elektivoperationen führen anstatt zu Notoperationen, und die Empfänger hätten eine bessere Chance, Spenderorgane zu erhalten, die zu ihnen passen. Natürlich muß die Qualität der Organe auch über eine längere Lagerungsdauer hinweg gewährleistet werden. Wir werden keine Kompromisse eingehen nur zugunsten der Zeit."

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