Autoimmunkrankheiten: Nützliche Parasiten
Ungewollte Untermieter im Darm sind möglicherweise widerlich. Aber bei bestimmten Erkrankungen ist ihre Gegenwart auch nützlich: Denn die kleinen Schmarotzer beeinflussen ganz eigennützig das Immunsystem ihres Wirtes - mit heilsamen Nebenwirkungen.
Ein Fadenwurm, der sich mit seinem dünnen Kopf in das Gewebe der Darmschleimhaut bohrt, sich dort am Körper seines Wirtes gütlich tut und nebenbei täglich Hunderte von Eiern produziert, hört sich nicht gerade nach dem angenehmsten Untermieter an. Ein Massenbefall mit dem Peitschenwurm Trichuris trichiura etwa löst zudem Durchfall, Schmerzen und Blutarmut aus. Darum ist es wohl kein Wunder, dass sich die moderne Medizin einst das Zurückdrängen der Parasiten als wichtiges Etappenziel auf dem Weg zu einer gesünderen – und hygienischeren – Gesellschaft setzte.
Doch immer neue Studien geben Anlass zum Umdenken. Denn kaum waren die parasitären Plagen etwa in den USA, Europa und Kanada eingedämmt, breiteten sich andere Übel aus: Allergien, Asthma, multiple Sklerose und andere Autoimmunkrankheiten erleben in den letzten Jahrzehnten einen stetigen Anstieg. Es wirkt, als wende sich der Körper in Abwesenheit seiner üblichen Feinde gegen sich selbst.
Jorge Correale und Mauricio Farez vom Neurologischen Forschungsinstitut Raúl Carrea in Buenos Aires begleitete über viereinhalb Jahre 24 MS-Patienten mit regelmäßigen Untersuchungen. Bei allen Studienteilnehmern lag zu Beginn der Tests ein ähnlicher Krankheitsverlauf vor. Mit einer Ausnahme: Die Hälfte der Probanden hatte sich nach Beginn der Autoimmunkrankheit mit einem Darmparasiten infiziert. Statt diesen zu entfernen, beließen die Forscher die Schmarotzer in ihren Wirten und beobachteten, ob und wie sich eine solche Infektion auf die Nervenerkrankung auswirkst, die in unregelmäßigen Abständen Lähmungen, Sehschwierigkeiten und Schmerzen verursacht.
Die Ergebnisse waren verblüffend. Denn die regelmäßigen neurologischen Tests zeigten, dass der Krankheitsverlauf der multiplen Sklerose bei den infizierten Patienten deutlich abgeschwächt war: Während der vier Jahre gab es bei den Parasiten-Trägern nur drei schwere Krankheitsschübe – während in der Kontrollgruppe 56 solcher Verschlechterungen zu verzeichnen waren. Nur zwei Patienten aus der infizierten Gruppe erlitten zudem messbare Verschlechterungen ihrer Gesundheitszustandes, und diese waren auch weniger gravierend als bei den anderen zwölf Probanden, die bis auf eine Ausnahme alle mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen hatten. Zudem zeigten Magnetresonanzbilder des Gehirns bei den parasitengeplagten Probanden weniger Entzündungsherde im Gehirn, die häufig ein erstes Anzeichen für eine Gesundheitsverschlechterung darstellen.
Außerdem fanden die Wissenschaftler im Blut der mit Parasiten befallenen MS-Patienten deutlich mehr Botenstoffe, welche die entzündungsfördernden Zytokine unschädlich machen. Und genau hier vermuten Correale und seine Kollegen die heilsamen Wirkung der Darmschmarotzer: Denn damit die Fadenwürmer bei ihrem Aufenthalt im Darm keine unangenehmen Überraschungen erleben, beeinflussen sie das Immunsystem des Wirtskörpers, damit der sie in Ruhe lässt. Dazu aktivieren sie bestimmte Immunzellen, die T-Lymphozyten, welche die Immunantworten des Körpers regulieren und eine aggressive Immunantwort verhindern.
Anscheinend retten die Fadenwürmer damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Nervenzellen ihres Wirts vor einem Angriff des Immunsystems. Wie genau sie dies anstellen, ist den Forschern indes noch ein Rätsel. Bevor also Parasiten als biologische Immun-Kontrolleure eingesetzt werden, steht noch einiges an Forschung an. Dennoch scheint inzwischen zumindest eines klar: Das gängige Feindbild von den kleinen Schmarotzern muss revidiert werden.
Doch immer neue Studien geben Anlass zum Umdenken. Denn kaum waren die parasitären Plagen etwa in den USA, Europa und Kanada eingedämmt, breiteten sich andere Übel aus: Allergien, Asthma, multiple Sklerose und andere Autoimmunkrankheiten erleben in den letzten Jahrzehnten einen stetigen Anstieg. Es wirkt, als wende sich der Körper in Abwesenheit seiner üblichen Feinde gegen sich selbst.
Seit einigen Jahren macht darum die "Hygiene-Hypothese" die Runde: Eigentlich, so die Theorie, sei unser Körper auf eine Koexistenz mit den kleinen Mitessern eingerichtet. Durch den Rückgang der parasitären Infektionen auf Grund besserer Hygiene-Maßnahmen jedoch sei dieses Gleichgewicht durcheinander geraten. Erste Tests erhärteten die These bereits im für die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn – allerdings nur im Tierversuch. Jetzt zeigt die erste Studie am Menschen, dass die Darmparasiten zumindest bei multipler Sklerose wirklich gesundheitsfördernd sein können.
Jorge Correale und Mauricio Farez vom Neurologischen Forschungsinstitut Raúl Carrea in Buenos Aires begleitete über viereinhalb Jahre 24 MS-Patienten mit regelmäßigen Untersuchungen. Bei allen Studienteilnehmern lag zu Beginn der Tests ein ähnlicher Krankheitsverlauf vor. Mit einer Ausnahme: Die Hälfte der Probanden hatte sich nach Beginn der Autoimmunkrankheit mit einem Darmparasiten infiziert. Statt diesen zu entfernen, beließen die Forscher die Schmarotzer in ihren Wirten und beobachteten, ob und wie sich eine solche Infektion auf die Nervenerkrankung auswirkst, die in unregelmäßigen Abständen Lähmungen, Sehschwierigkeiten und Schmerzen verursacht.
Die Ergebnisse waren verblüffend. Denn die regelmäßigen neurologischen Tests zeigten, dass der Krankheitsverlauf der multiplen Sklerose bei den infizierten Patienten deutlich abgeschwächt war: Während der vier Jahre gab es bei den Parasiten-Trägern nur drei schwere Krankheitsschübe – während in der Kontrollgruppe 56 solcher Verschlechterungen zu verzeichnen waren. Nur zwei Patienten aus der infizierten Gruppe erlitten zudem messbare Verschlechterungen ihrer Gesundheitszustandes, und diese waren auch weniger gravierend als bei den anderen zwölf Probanden, die bis auf eine Ausnahme alle mit zusätzlichen Problemen zu kämpfen hatten. Zudem zeigten Magnetresonanzbilder des Gehirns bei den parasitengeplagten Probanden weniger Entzündungsherde im Gehirn, die häufig ein erstes Anzeichen für eine Gesundheitsverschlechterung darstellen.
Außerdem fanden die Wissenschaftler im Blut der mit Parasiten befallenen MS-Patienten deutlich mehr Botenstoffe, welche die entzündungsfördernden Zytokine unschädlich machen. Und genau hier vermuten Correale und seine Kollegen die heilsamen Wirkung der Darmschmarotzer: Denn damit die Fadenwürmer bei ihrem Aufenthalt im Darm keine unangenehmen Überraschungen erleben, beeinflussen sie das Immunsystem des Wirtskörpers, damit der sie in Ruhe lässt. Dazu aktivieren sie bestimmte Immunzellen, die T-Lymphozyten, welche die Immunantworten des Körpers regulieren und eine aggressive Immunantwort verhindern.
Anscheinend retten die Fadenwürmer damit nicht nur sich selbst, sondern auch die Nervenzellen ihres Wirts vor einem Angriff des Immunsystems. Wie genau sie dies anstellen, ist den Forschern indes noch ein Rätsel. Bevor also Parasiten als biologische Immun-Kontrolleure eingesetzt werden, steht noch einiges an Forschung an. Dennoch scheint inzwischen zumindest eines klar: Das gängige Feindbild von den kleinen Schmarotzern muss revidiert werden.
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