Südafrikas Löwenfarmen: Nur Häute für Trophäen und Knochen für den Markt
Hinweis: Der folgende Artikel enthält Bilder von toten und misshandelten Tieren, die auf einige Betrachter möglicherweise verstörend wirken.
Die Beschreibung von »Operation Chastise« liest sich wie der Klappentext eines britischen Spionagethrillers. Ein Agent mit dem Codenamen Lister wird vom britischen Lord Michael Ashcroft, ehemals stellvertretender Tory-Vorsitzender im Vereinten Königreich, angeworben, um die südafrikanische Löwenzuchtindustrie zu infiltrieren. Bewaffnet mit versteckten Kameras, magnetischen Trackinggeräten für Fahrzeuge und Spyware für Telefone macht sich »Lister« auf, um Beweise für die Grausamkeit auf Südafrikas Löwenfarmen zu sammeln.
So zeigt ein von ihm im Januar 2018 heimlich gefilmtes Video zum Beispiel die grausame Exekution einer wehrlosen Löwin auf der Moreson Ranch unweit der Stadt Vrede: »Das verdammte Stück will einfach nicht sterben«, schimpft ein gewisser Awie, Angestellter der Ranch, auf Afrikaans, nachdem die Löwin auch noch nach dem zehnten schlecht gezielten Schuss in ihren Körper ihre Folterer immer noch anfaucht.
Kopfschüsse, die dem Tier ein schnelles Ende bereiten würden, werden vermieden, weil ein unbeschädigter Schädel einen höheren Verkaufswert hat. »Sie ist fast ausgeblutet«, verkündet Awie danach, doch der Todeskampf setzt sich noch mehrere Minuten fort.
In dem im Juni veröffentlichten Buch »Unfair Game« präsentiert Lord Ashcroft eine lange Liste solcher Vorfälle, für nervenstarke Leser auch mit Links zu den dazugehörigen Videobeweisen, die nicht nur den Tod der Tiere zeigen, sondern auch die anschließende Verarbeitung für den asiatische Raubkatzenknochenmarkt. »Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass dies eine grausame und barbarische Industrie ist, für die es im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr geben sollte«, umschreibt Ashcroft das Ziel seines Buchs.
»Es gab keinen Schutz vor dem Wetter, nicht genügend Wasser, und die Tiere waren mit Parasiten und Exkrementen übersät«Douglas Wolhuter, Inspektor vom Dachverband der südafrikanischen Tierschutzvereine
Die Enthüllungen des Briten vervollständigen ein Bild, das südafrikanische und internationale Tierschützer schon seit einigen Jahren von diesen Farmen zeichnen – das einer inhumanen, profitorientierten Industrie, die mit Genehmigung der Regierung Südafrikas Trophäenjägern leichte Ziele bietet und der asiatischen traditionellen Medizin die dort begehrten Raubkatzenskelette liefert. Nun sorgen sich Aktivisten, dass sich die Lage durch die Corona-Pandemie weiter verschlimmert. Der nationale Dachverband der südafrikanischen Tierschutzvereine NSPCA warnt in diesem Zusammenhang vor zunehmenden Problemen »in den Bereichen Hygiene, Trinkwasser, Nahrung, Medizin und Beheizung«.
Löwen werden unter qualvollen Bedingungen gehalten
Es wird zumeist den jeweiligen örtlichen Tierschutzvereinen, in Südafrika SPCAs genannt, überlassen, Hinweisen zu den inhumanen Zuständen auf den Löwenfarmen nachzugehen. Das war auch schon vor den Corona-Beschränkungen der Fall. So erwirkte im Mai 2019 der NSPCA einen richterlichen Durchsuchungsbefehl für die Löwenfarm Pienika in Südafrikas Nordwestprovinz. NSPCA-Oberinspektor Douglas Wolhuter entdeckte dort massive Tierquälerei: insgesamt 108 Raubkatzen, die zu Zuchtzwecken in winzigen Zwingern miteinander eingepfercht waren – Leoparden, Tiger, Karakale und vor allem Löwen.
»Es gab keinen Schutz vor dem Wetter, nicht genügend Wasser, und die Tiere waren mit Parasiten und Exkrementen übersät«, berichtet Wolhuter. 27 Löwen litten unter solch starker Räude, einem Milbenbefall, dass sie keinerlei Fell mehr trugen. Einige Löwenjungen hatten wegen Unterernährung und Infektionen schwere neurologische Schäden entwickelt und konnten nicht mehr auf ihren eigenen Beinen stehen, zeigt ein Video. Da der NSPCA eine solche Zahl in Gefangenschaft geborener Raubtiere weder auswildern noch aufnehmen kann, beließen die Inspektoren die meisten der Tiere unter Auflagen auf der Farm. Denn obgleich der Betreiber sich der Tierquälerei schuldig machte, ist die Existenz einer solchen Einrichtung in Südafrika für sich genommen legal.
»Als wir im Juli zurückkehrten, hatte sich kaum etwas verbessert«, sagt der Inspektor. Im Gegenteil: Diesmal entdeckte Wolhuter eine Gefriertruhe, die bis zum Rand mit toten Löwen- und Tigerjungen gefüllt war. Ein weiterer junger Löwe war qualvoll in einem Kühlzimmer verendet. Erneut gab es Junglöwen mit offenkundig schweren neurologischen Schäden, die vom Schicksal ihrer verendeten Artgenossen nicht weit entfernt waren. »Das tote Jungtier im Kühlraum hatte Druckwunden, die darauf hinweisen, dass es sehr lange in dieser Position gelegen hatte, unfähig aufzustehen oder zu trinken. Es muss über Tage hinweg einen grausam langen Tod gestorben sein«, sagt Wolhuter.
Außer Tierschützern wacht kaum jemand über die Löwenfarmen
Tierschützer gehen davon aus, dass es so oder ähnlich auf praktisch allen Löwenfarmen des Landes zugeht. »Die Regierung hat nie eine richtige forensische Untersuchung dieser Farmen durchgeführt«, sagt Michele Pickover von der humanitären Organisation EMS Foundation, die 2018 einen umfassenden Bericht zum südafrikanischen Löwenknochenhandel verfasst hat. »Die Behörden haben kaum Informationen und was sie haben, ist zu alt«, sagt Pickover.
Audrey Delsink, die für die Tierschutzorganisation Humane Society International (HSI) ähnliche Vorfälle untersucht hat, verweist darauf, dass es in Südafrika keine gesetzlich verankerten Normen zur Löwenhaltung gibt. »Wir können nur auf Grund von Hinweisen aus der Öffentlichkeit aktiv werden, wenn es um allgemeine Tierquälerei geht«, so Delsink. Verantwortung wird zwischen Behörden hin- und hergeschoben. Löwen sollten unter die Zuständigkeit des Umweltministeriums fallen – doch die Überwachung der Nutztierhaltung ist Sache des Landwirtschaftsministeriums. Darüber hinaus versteckten sich die Staatsministerien nach Angaben von Michele Pickover hinter einer angeblichen Zuständigkeit der jeweiligen Provinzen.
Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft den Löwen in Afrika offiziell als gefährdet ein. Die noch in freier Wildbahn verbleibenden Tiere des Kontinents leiden unter dem Verlust ihres Lebensraums, einem starken Rückgang von Beutetieren und unter dem Vordringen des Menschen in die Natur. Die African Lion Database rechnet hoch, dass es inzwischen weniger als 23 000 wild lebende Löwen gibt.
Das Washingtoner Artenschutzabkommen CITES verbietet deswegen den Handel mit ihren Produkten, sprich mit Knochen, Fell oder Zähnen, um ihre Bejagung zu unterbinden. Allerdings gewährt CITES den Löwenfarmen Südafrikas eine Ausnahme für Erzeugnisse, die nachweislich und ausschließlich von in Gefangenschaft geborenen Löwen stammen, gemäß einer jährlich festzusetzenden Ausfuhrquote. »Diese Ausnahmeregelung für Südafrika folgt seinen Handelsinteressen und ist weltweit einmalig. Sie ist fatal für den Artenschutz, und wir fordern ein sofortiges Ende«, sagt Delsink.
Dabei ist es wegen mangelhafter Regulierung und auch weil einzelne Personen aus einer Vielzahl von Gründen Löwen halten dürfen, schwierig, überhaupt nur zu definieren, was eine Löwenfarm in Südafrika ist. Entsprechend klaffen die Angaben zu ihrer Zahl auseinander. Verschiedene Gruppen gehen von 260 bis zu über 300 solcher Einrichtungen aus. Und während in der freien Wildbahn Südafrikas gerade einmal knapp 3000 Löwen vorkommen, werden in den Farmen geschätzt zwischen 8000 und 12 000 Löwen und andere Raubkatzen gehalten – darunter auch illegale und groteske Kreuzungen wie so genannte Liger, deren Vater ein Löwe und deren Mutter eine Tigerin ist.
Das Leben dieser Zuchtlöwen wird von Geburt an von Ausbeutung und Profitmaximierung bestimmt. Nach nur wenigen Wochen werden Jungen von ihren Müttern getrennt, damit diese bis zu viermal öfter Nachwuchs zeugen können, als dies in der Natur der Fall wäre. Die Jungtiere werden dann in Kuschelzoos zur Schau gestellt für Besucher, die über das Schicksal der Tiere belogen werden. Wenn die halb zahmen Löwen nicht mehr niedlich sind, gelangen sie über Aktivitäten wie geführten »Löwenspaziergängen« mit Touristen schließlich zur Trophäenjagd.
Die Coronakrise macht die Lage nur noch schlimmer
Bei der selbst von internationalen Jagdverbänden verurteilten so genannten Käfigjagd, dem Canned Hunting, zahlen zumeist unerfahrene Jäger, oft wohlhabende Amerikaner, um 50 000 US-Dollar als Preis für einen Abschuss. Der Löwe wird dann in ein kleines, eingezäuntes Gebiet entlassen, das kaum Deckung bietet. Da das Tier durch sein Leben in Gefangenschaft an Menschen gewöhnt ist, liefert es weniger Widerstand als ein wilder Löwe. Der angebliche Sport gleicht so eher einer Hinrichtung. Auch gibt es bei dieser Form der Trophäenjagd Studien zufolge keine Indizien dafür, dass es zu den von Befürwortern oft angeführten positiven Effekten kommt – wie etwa zusätzlichen Einnahmen für verarmte Landkommunen oder Geld für den Schutz des Lebensraums wilder Tiere.
Seit Südafrika seine Grenzen im März als Maßnahme gegen die Ausbreitung von Covid-19 geschlossen hat, finden solche Jagden allerdings kaum noch statt. Was zunächst nach einer guten Nachricht für die Zuchtlöwen klingt, könnte sich bald als fatal erweisen. »Die Zustände auf den Farmen verschlechtern sich jetzt«, sagt Meg Wilson vom NSPCA. Fehlt das Geld der Touristen, »wird weniger Personal beschäftigt, und die Stromrechnung kann oft nicht bezahlt werden. Somit wird kein oder zu wenig Wasser für die Tiere gepumpt, und es wird im hiesigen Winter nicht geheizt«, sagt Wilson.
Die Tiere leiden – hungern, dursten und frieren. Und an eine veterinärmedizinische Betreuung sei schon gar nicht mehr zu denken. Die EMS Foundation erwartet daher eine Katastrophe – den finanziellen Zusammenbruch der Farmen und Massentötungen. »Wir haben Umweltministerin Barbara Creecy dazu angeschrieben, doch das Ministerium erscheint uns in seiner Reaktion recht gleichgültig«, sagt Michele Pickover. In dem Brief vom April 2020 fordert die EMS die Ministerin dazu auf, einen Notfallplan für den möglichen finanziellen Kollaps der Löwenfarmen vorzubereiten. Außerdem solle das Ministerium ein mindestens zweijähriges Moratorium für die Tötung von Zuchtlöwen, den Export ihrer Knochen und die Einrichtung neuer Farmen verhängen.
Das Kaufinteresse an Raubkatzenskeletten in Asien ist seit Jahren ungebrochen. Dabei wird es den afrikanischen Löwen zum Verhängnis, dass sich ihre Knochen nur schwer von Tigerknochen unterscheiden lassen und deswegen in Abnehmerländern entweder oft als solche ausgegeben oder als Ersatz akzeptiert werden. In asiatischen Staaten wie China, Vietnam, Laos oder Thailand werden Tigerknochen mythische Kräfte nachgesagt. Beispielsweise tragen die Menschen zermahlenen Tigerknochen auf Heilpflaster auf. Wer Reiswein trinkt, in dem ein Tigerknochen eingelegt war, der entwickle dem Aberglauben nach eine tigerhafte, dominante Persönlichkeit. Wegen der enormen Nachfrage haben sich Chinas asiatische Nachbarn über ihre eigenen Tigerfarmen hinausgehend nach neuen Quellen umgesehen. Dadurch kletterten die Preise für Löwenskelette in Südafrika – seit 2016 um rund ein Viertel. Das Skelett eines männlichen Löwen erzielt derzeit knapp 4000 US-Dollar. Unter solchen wirtschaftlichen Anreizen genehmigte die südafrikanische Regierung den Löwenzüchtern zwischen 2008 und 2015 die Ausfuhr von insgesamt mehr als 5000 Skeletten, wobei sich nur schwer abschätzen lässt, wie viel tatsächlich in den Verkauf gelangte. Laut Michele Pickover würden neben den legalen Skeletten immer auch illegal beschaffte exportiert.
Vier von zehn Chinesen haben Raubkatzenprodukte genutzt
In einem 2019 veröffentlichten Report belegt die Tierschutzorganisation World Animal Protection diese Zusammenhänge. Demnach bleibe die Nachfrage aus Asien vor allem auch deswegen so hoch, weil der Irrglaube an die Wirksamkeit solcher Produkten gezielt aufrechterhalten werde. Laut dem Report sind 89 Prozent der befragten Vietnamesen der Ansicht, dass Produkte von Tigern und Löwen medizinische Wirkung hätten. 40 Prozent der befragten Chinesen hatten Produkte benutzt, die aus Raubkatzen hergestellt wurden. »Deswegen müssen wir durch Aufklärungskampagnen das Verhalten dieser Konsumenten ändern und damit die Nachfrage senken«, sagt Gilbert Sape. Der für traditionelle Medizin zuständige Kampagnenmanager von World Animal Protection betont, dass dies mit besseren Gesetzen, Strafverfolgung und der Schließung von gesetzlichen Schlupflöchern einhergehen müsse. »Und zu solchen Schlupflöchern zählen die Genehmigungen für asiatische Tigerfarmen und die südafrikanischen Löwenfarmen – nur ein maximales Handelsverbot kann dies ändern«, sagt Sape.
Der Ausbruch von Covid-19 hat den Tierschützern ein weiteres Argument geliefert. Denn auch bei der Verarbeitung von Löwenskeletten sehen Wissenschaftler eine realistische Gefahr für Zoonosen, das heißt für Krankheitserreger, die vom Tier auf Menschen überspringen. In Südafrika sind die hygienischen Bedingungen in den Schlachteinrichtungen der Zuchtlöwenindustrie nach Beobachtung der Tierschutzvereine katastrophal. Im vergangenen Jahr berichtete Inspektorin Reinet Meyer vom SPCA der Stadt Bloemfontein über eine Razzia auf der Löwenfarm Wag-'n-Bietjie. »Es war schockierend«, schreibt Meyer. Erschossene Löwen wurden von Farmarbeitern in einen kleinen, ungekühlten Raum buchstäblich gestapelt. »Der Gestank und die Wolken von Fliegen waren schrecklich«, so Meyer. Gehäutete Kadaver lagen auf dem Boden, daneben Gedärme der Tiere in Plastiktüten – ein erhebliches Gesundheitsrisiko für die Arbeiter. Sorge bereitet den Fachleuten dabei neben Sars-CoV-2 vor allem die Rindertuberkulose. Beide Erreger kommen auch bei Raubkatzen vor.
In einem offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert die Vereinigung Lion Coalition daher, die in der Folge der Corona-Pandemie erwogenen Einschränkungen für den internationalen Wildtierhandel auch auf das Geschäft mit den Löwenknochen auszudehnen. 339 Organisationen haben den Brief der Koalition unterzeichnet, darunter der Deutsche Tierschutzbund und die Frankfurter Zoologische Gesellschaft.
Was brächte ein Verbot?
Doch wer ein Verbot fordert, muss sich möglicher Konsequenzen bewusst sein. »Handelsverbote können zu einem Anstieg von Schwarzmarktpreisen führen und damit auch zu stärkerer Wilderei und illegalem Handel«, sagt Michael 't Sas-Rolfes von der University of Oxford. Der Experte für den Handel mit Wild und Tierprodukten hat mit seiner Kollegin Vivienne Williams von der University of Witwatersrand 2019 eine repräsentative Umfrage unter 117 Betreibern südafrikanischer Löwenfarmen durchgeführt. »52 Prozent gaben an, dass zu große Restriktionen durch eine Quote sie motivieren könnte, alternative Märkte zu suchen«, sagt 't Sas-Rolfes.
Die Studie verdeutlicht auch, wie abhängig die südafrikanischen Löwenfarmen über die Jahre vom asiatischen Knochenmarkt geworden sind. Löwenfarmen gebe es seit den 1970er Jahren, damals kamen die ersten Kuschelzoos auf. Vor allem in den 1990er Jahren wurden die Löwen noch vornehmlich für die Käfigjagd gezüchtet. Gegen 2007 stieg in einer wirtschaftlich erstarkten Mittelschicht in China dann die Nachfrage nach Raubkatzenprodukten. »China wollte damals seinen eigenen Markt mit Tigerfarmen etablieren. Als Tierschutzgruppen darauf politischen Druck auf China ausübten, tauchten die Farmen stattdessen in Laos, Vietnam und Thailand auf«, berichtet 't Sas-Rolfes. Bald entwickelten die Betreiber dieser asiatischen Farmen Expansionspläne und schickten wenig später Vertreter nach Südafrika. In seiner Untersuchung des illegalen Nashornhandels für die Tierschutzorganisation Traffic entdeckte der Journalist Julian Rademeyer immer wieder Verbindungen zum Löwen- und Tigerknochenhandel. Rademeyer berichtet, wie Vietnamesen sich von etwa 2011 finanziell an südafrikanischen Safari-Lodges beteiligten, um von dort unter dem Deckmantel der Trophäenjagd Raubkatzen- und Nashornprodukte nach Asien zu schaffen, ein Täuschungsmanöver, das Pseudojagd genannt wird.
Lieber Trophäenjagd als Knochenfarming?
2016 verlor die Trophäenjagd für die Züchter weiter an Bedeutung. Die USA verhängten ein Einfuhrverbot für Jagdtrophäen, die von Löwen aus der Käfigjagd stammen, da sie keinerlei Nachweis für positive Nebenwirkungen auf den Artenschutz erkennen konnten, wie es von der Trophäenjagd zumindest in der Theorie verlangt wird. »82 Prozent unserer Befragten gaben an, dass dieses Verbot sie wirtschaftlich geschädigt habe. Sie schläferten zahlreiche Löwen ein. Noch im selben Jahr verdreifachte sich der Export von Löwenskeletten nach Asien«, sagt 't Sas-Rolfes.
Die Entwicklung verschlimmerte die Zustände auf den Farmen weiter. »Löwen für die Trophäenjagd müssen gesund aussehen, weil kein Jäger einen kranken, schwachen Löwen schießen will. Löwen für die Knochenproduktion hingegen müssen nicht gut aussehen«, sagt Audrey Delsink. Denn eine humane und artgerechte Haltung von Tieren sei ein erheblicher Kostenfaktor.
Während amerikanische Tierschützer 2016 somit den Erfolg gegen die Trophäenjagd feierten, beklagten asiatische Aktivisten den massiven Anstieg des Löwenknochenhandels. Deswegen schritt CITES noch im selben Jahr ein und legte fest, dass die Regierung Südafrikas zur Kontrolle des ausufernden Markts eine jährliche Exportquote festlegen müsse. Diese hat sich von 2016 bis 2018 seitdem zwischen 800 und 1500 Skeletten pro Jahr bewegt.
»Das Wilderei-Argument ist vollkommen überstrapaziert«Michele Pickover, Tierschützerin der EMS Foundation
Auch Gilbert Sape räumt ein, dass mehr Forschung nötig sei, um solche Mechanismen besser zu verstehen. Dennoch wehrt sich der Aktivist gegen den Versuch der profitorientierten Farmbetreiber, sich als Streiter für »einen Artenschutz durch Kommerzialisierung« darzustellen. »Kommerzielle Löwenzucht gibt es seit Jahrzehnten – dennoch hat sich die Wilderei unvermindert fortgesetzt. Wenn diese Farmen als Werkzeug für den Artenschutz in der Vergangenheit nichts bewirkt haben, warum sollten sie dann eine Lösung für die Zukunft sein?«, fragt Sape.
»Das Wilderei-Argument ist vollkommen überstrapaziert. Es wird ja auch immer wieder bei Elefanten und Nashörnern angeführt«, sagt auch Michele Pickover. »Die Nachfrage wird stimuliert, wenn diese Tierprodukte angeboten werden – das schadet den Wildpopulationen. Denn so wird die Nachfrage unersättlich.«
Exportquoten wurden für ungesetzlich erklärt
Für Forscher wie Michael 't Sas-Rolfes besteht ein realistischeres Ziel derzeit darin, zumindest gegen die grausamen Bedingungen auf den Farmen vorzugehen. Im August 2019 hatte Südafrikas Oberster Gerichtshof in Pretoria einer Klage des NSPCA gegen das Umweltministerium und den Verband der Farmbetreiber stattgegeben und die Exportquoten für Löwenskelette aus den Jahren 2017 und 2018 im Nachhinein als »ungesetzlich und verfassungsrechtlich ungültig« erklärt. In seiner Urteilsbegründung schreibt Richter Jody Kollapen, es sei unbegreiflich, dass der Staat bei der Festlegung der Quoten Aspekte des Tierschutzes und der artgerechten Haltung der Löwen nicht in Betracht gezogen habe. Nach Auffasung der Kläger sei die Regierung damit nun verbindlich dazu verpflichtet, bei der Festlegung zukünftiger Quoten die Einhaltung solcher Prinzipien sicherzustellen.
Auch die Coronakrise hat eine Entscheidung über weitere Quoten verzögert. »Es gab keine Exportquote für 2019, und wir wissen nicht, ob es eine für 2020 geben wird«, sagt Pickover. Laut 't Sas-Rolfes steht und fällt die Zukunft der Löwenfarmen mit den wirtschaftlichen Bedingungen in den Abnehmerstaaten. Fehlt dort wegen der Coronakrise die Kaufkraft, »bin ich mir sicher, dass viele ihr Unternehmen verkleinern oder sogar schließen werden«. Aber nach einem Verbot für Löwenfarmen in Südafrika sieht es derzeit ohnehin nicht aus – daran wird die Coronakrise wohl nichts ändern.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.