News: Nur scheinbare Sicherheit
Pomerantz und seine Mitarbeiter haben sieben Männer untersucht, die alle eine hochaktive antiretrovirale Therapie (highly active antiretroviral therapy, HAART) durchliefen. Dabei handelt es sich um eine Kombination von Hemmstoffen der Protease – einem Enzym, das Proteine spaltet – und der reversen Transkriptase – dem typischen Enzym für die Gruppe der Retroviren, zu denen auch das HI-Virus gehört. Bei allen sieben Patienten war seit Monaten kein Virus im Blut oder Sperma nachzuweisen. Unter Nutzung der Polymerase-Kettenreaktion – einer Art biochemischer Kopiermaschine für Nukleinsäuren – fanden die Wissenschaftler allerdings bei vier Männern ein HIV-Provirus – eine Vorform des HI-Virus.
"Die Frage war dann, ob es ein defektes Virus oder aber zur Vermehrung fähig war", sagt Pomerantz. Als die Forscher Zellen mit dem Provirus in Kulturen von nichtinfizierten Blutzellen zogen, entwickelten sich richtige HI-Viren. Dabei handelte es sich um die M-tropische Variante, welche die Makrophagen unter den weißen Blutkörperchen befällt. Dieser Virentyp kann beim Geschlechtsverkehr weitergegeben werden.
Auf der Suche nach dem Grund, warum die Proviren trotz der Therapie noch im Samen zu finden waren, überprüften die Wissenschaftler, ob die Viren vielleicht durch Mutationen resistent gegen die Arzneien sind. Doch es fanden sich keine entsprechenden Anhaltspunkte. Pomerantz geht deshalb davon aus, daß die Viren möglicherweise direkt nach der Infektion als Provirus in die Zelle integriert wurden und seitdem latent in der Zelle vorliegen. Dabei kann es jederzeit zu plötzlichen kleinen Vermehrungen von Viren in lokal begrenzten Bereichen des männlichen Genitaltraktes kommen.
Zwar ist noch nicht sicher, ob das Provirus wirklich weitergegeben werden kann, doch Pomerantz warnt: "Auch wenn Sie alle Viren, die sich gerade vermehren, hemmen, haben Sie dennoch Proviren im Blut – und wie wir jetzt wissen im Sperma –, die dort lauernd abwarten."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 14.10.1998
"Verschiedene HIV-Stämme in Blut und Sperma" - Spektrum Ticker vom 7.10.1998
"Studie schlägt neue Strategie für die Erstbehandlung von HIV/AIDS vor"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum Ticker vom 14.11.1997
"Ein 'Cocktail' gegen AIDS" - Spektrum der Wissenschaft 9/98 und 10/98, Schwerpunktthema: AIDS
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