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News: Nussknacken mit Cheetas Urgroßmutter

Einmal erlernte Fähigkeiten können auch Schimpansen von Generation zu Generation weitergeben - zum Beispiel die Kultur des Nussknackens mit Steinhämmern. Entwicklung und Tradition dieses kulturellen Affen-Erfahrungschatzes haben Forscher jetzt mit archäologischen Methoden untersucht - und nicht nur im Hinblick auf die angesammelten Müllmassen verblüffende Parallelen zu vormenschlichen Reliktstätten gefunden.
Nur westafrikanische Schimpansen haben diesen Dreh raus: Sie benutzen Steine und Äste als Hämmer, um damit Nüsse zu knacken. Ein offenbar lohnendes, jedoch auch nicht wenig anstrengendes Unterfangen, denn während der vier Monate dauernden Nussernte arbeiten die Tiere täglich bis zu zwei Stunden lang mit ihren teils sehr schweren Werkzeugen. Die Schimpansen Ostafrikas dagegen verzichten ganz auf den Genuss solcher schwer zu erlangenden hartschaligen Leckerbissen – wahrscheinlich nicht aus Faulheit, sondern weil sie den nötigen Werkzeugeinsatz nie erlernt haben. Offenbar ist Nussknacken also eine Form kulturellen Verhaltens und erlaubt es, eine Affen-Population von der anderen zu unterscheiden.

Wissenschaftler interessierten sich nun dafür, wann diese Art des Werkzeuggebrauchs entstand und wie sich die Nussknack-Kultur im Laufe der Zeit entwickelt und verändert hat. Zur Klärung dieser Fragen bildete sich ein disziplinenübergreifendes Forscherteam aus dem Primatenforscher Christophe Boesch vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und den Archäologen Julio Mercader und Melissa Panger von der George Washington Universität.

Die Forscher begaben sich im Taï Nationalpark im westafrikanischen Regenwald der Elfenbeinküste auf Spurensuche in die Vergangenheit – hier hatten Boesch und seine Mitarbeiter schon seit 1979 Schimpansen studiert. In ihrem neuesten Projekt nutzten sie nun detaillierte Aufzeichnungen von bekannten "Nussknacker-Werkstätten", um eine geeignete Grabungsstätte ausfindig zu machen. Diese untersuchte das Wissenschaftlerteam mit archäologischen Methoden, ein Novum bei der Forschung an nicht-menschlichen Spezies.

Boesch, Mercader und Panger wählten einen Ort, an dem im Laufe vieler Jahre immer wieder Schimpansen gesehen wurden, die zum Knacken der sehr harten Panda-oleosa-Nüsse Hammersteine benutzten. Hierhin schleppten Affen scheinbar schon seit Generationen über Hunderte von Metern als Werzeuge dienende Steine, die unter anderen Panda-Bäumen gelegen hatten. Die Steine, das zeigten die archäologischen Daten, wurden aus verschiedenen Landschaftsbereichen zu den "Werkstätten" transportiert.

Während die Schimpansen mit Hammersteinen gegen hölzerne Ambosse schlugen, produzierten sie aus den Steinresten unabsichtlich charakteristische, wenige Zentimeter große Splitter als Hinterlassenschaften. Insgesamt fanden die Forscher 479 solcher Steinstücke, einige davon 21 Zentimeter tief im Boden. Die Verbreitung dieser Überreste an der Fundstelle war nicht willkürlich, sondern zeigte örtlich gehäufte Schalen und Steinreste – eine Relikt-Verteilung, die Archäologen auch in so genannten "activity areas" menschlicher Vorfahren beobachten.

Überhaupt ähneln die Größe der Steine, die Form der Abschlagsplitter und die vielen kleinen Trümmer jenen Steinen, die einige unserer Vorfahren in Ostafrika in der Oldovan-Zeit vor zweieinhalb bis zwei Millionen Jahren hinterlassen haben. Auch die Anzahl der Steine pro Quadratmeter und die Größe der Steinhaufen gleichen einigen Sammlungen aus dieser Epoche.

Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven für viele Disziplinen – einschließlich der Primatologie, Archäologie und Paläoanthropologie. Vielleicht können einige der technologisch einfachsten Oldovan-Stätten als Nussknackerstellen neu interpretiert werden. Außerdem deutet ein Teil der Artefakte aus den höher entwickelten Oldovan-Sammlungen darauf hin, dass die frühen Hominiden "harte Nahrung" zu sich genommen haben. "Unsere Arbeiten verdeutlichen, wie viel mehr wir noch über den Schimpansen als unseren nächsten lebenden Verwandten lernen müssen, um die Einzigartigkeit der Menschheit zu verstehen", sagt Boesch.

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