News: Obdachlosigkeit in USA, Europa und Rußland
Kunstmann weiß aber auch zu berichten, daß Deutschland in einigen Punkten gut dasteht: Es gibt einen Beratungsanspruch für Wohnungslose, die medizinische Versorgung ist abgesichert (auch wenn sie in der Praxis nur selten funktioniert) und neue Hilfen der Kommunen wie eine Mietkostenübernahme bei drohendem Wohnungsverlust wirken vorbeugend. Doch Kunstmann beklagt auch Rückstände in Deutschland: "Es fehlt an gemeinnützigem Wohnraum, auf den die Kommunen wirklich Zugriff haben, wie in Dänemark, oder Meldelisten für Wohnungsnotfälle wie in England." Durch solche Mittel wäre eine noch effektivere Hilfe möglich, meint der Sozialwissenschaftler, der an der Universität Witten/Herdecke in der Fakultät für Medizin die sozialmedizinische Ausbildung der angehenden Ärzte leitet.
"Gerade bei der medizinischen Versorgung der Obdachlosen gibt es in Deutschland neue Ansätze zur sogenannten aufsuchenden Hilfe. Da gehen Ärzte auf die Straße zu den Wohnungslosen und versorgen sie. Doch die Gefahr ist groß, daß – bei allem bewundernswerten Engagement der Ärzte – die Versorgung unzureichend bleiben muß. Auf der Straße lassen sich meist nur kleine Wunden versorgen, aber zum Beispiel ernsthafte innere Erkrankungen können dort oft nur schlecht erkannt werden. Deshalb müssen die Ärzte draußen vor allem Brücken in die Regelversorgung bauen, denn eine Arztpraxis suchen die meisten Wohnungslosen nur selten freiwillig auf", erläutert Kunstmann.
Er fordert für all diese Menschen ein Umdenken innerhalb der Gesellschaft: Weniger an den Phänomenen herumkurieren, sondern nach den Ursachen suchen und sie bekämpfen, wäre seiner Meinung nach der richtige Weg. Doch das erfordert auch von den Helfern viel Fingerspitzengefühl: "Diese Menschen haben meist viel Mist in ihrem Leben erlebt, deshalb ist es schwierig, auf sie zuzugehen, ohne sie zu bedrängen. Wie wollen Sie wissen, wann Sie jemandem zu Nahe treten, wenn es nicht einmal ein Tür gibt, an die man vorher anklopfen muß", beschreibt Kunstmann das Problem der Helfer.
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